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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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verschränkten Armen in seinen Sessel zurück und erklärte, der Gast müsse sich schon entscheiden, was ihm mehr bedeute, der Geist oder die Weiber und das Kindermachen.
    Mit Mortemart, den er in Versailles ab und zu wiedersah, konnte Theodor zwar gesprächsweise vom Hölzchen aufs
Stöckchen kommen, aber alles, worüber der précieux zu reden wußte, klang wie aus einem seiner Übungshefte auswendig gelernt, was es ja auch war, und seine déformation professionelle bestand darin, daß er, ewig auf der Suche nach Schwächen seiner Mitmenschen, die sich in bonmots verwandeln ließen, an überhaupt niemandem auf Erden ein gutes Haar lassen konnte.
    Theodor kam zu dem Schluß, daß es nur Brunnen und Wattenmeere gab, die einen tief, aber eng und übelriechend, die anderen unüberschaubar, aber seicht.
    So weit war er mit seinen Überlegungen gediehen, als der König starb. Wie man hörte, beliefen sich die französischen Staatsschulden auf rund zwei Milliarden Livres, die laufenden Ausgaben auf einhundertvierundachtzig Millionen. Theodor empfand keine moralische Verpflichtung, sparsamer zu leben als das Gemeinwesen. Wenn er sich durch seine Verbindlichkeiten so unmöglich machen sollte, daß er gezwungen war, außer Landes zu gehen, entging er vielleicht seiner Offizierskarriere.
    Mit einer gewissen Gemütsruhe und Schicksalsergebenheit hoffte er auf ein Wunder. Ein solches ist aber nichts als das glückhafte Zusammentreffen eines Zufalls mit einer inneren Bereitschaft, und diese Bereitschaft war die einzige Aktivität, zu der er sich gefallen konnte.
    Am Vorabend seines Einzugs ins Regiment lag er auf dem Bett, sein Diener Larbi hockte draußen vor der Tür und kaute die Nägel bei dem Gedanken, seinem Herrn in die Armee folgen zu müssen. Theodor hatte keine Pläne, außer zu schlafen, bis entweder Rettung nahte oder der Tag allgemeinen Vergessens anbrach. Er war schon halb eingenickt, als sein Bursche klopfte und Besuch meldete.
    Ein hochgewachsener Mann in einem schwarzen bodenlangen Umhang und mit ebenso schwarzem Dreispitz, von dem ein Schleier herabhing, der das Gesicht verschattete, wehte in den Salon; der zukünftige Leutnant bewohnte
mittlerweile eine größere Wohnung in der Rue de Grenelle, die noch kaum eingerichtet war, da die Spielgewinne von der Mietanzahlung aufgezehrt worden waren. Theodor empfing den merkwürdigen Gast im Hausmantel und schickte Larbi nach Sherry, aber der Unbekannte wollte sich nicht setzen. Offenbar spielte er ein ernstes Spiel, dessen Glaubwürdigkeit unter jeglichem Sich-in-die-Behaglichkeit-sakken-Lassen gelitten hätte.
    Automatisch veränderte Theodor Körperhaltung, Blick, Gestik und ehrte die Theatralik des Gastes mit beeindrucktem Erschrecken.
    Monsieur, begann der andere, der die Sache nun fast etwas zu weit trieb, indem er ostentativ die Stimme verstellte, und spätestens jetzt erkannte Theodor, dem Abbé Conconi gegenüberzustehen, einem Berater des Regenten selbst, einem der Männer von Guillaume Dubois.
    Monsieur, man dient Ihnen von hoher, aber ungenannt bleibender Stelle einen Auftrag an.
    Theodor neigte den Kopf und wies auf einen der Sessel, den der Abbé nun doch, niedergedrückt von der Last seiner Mission, annahm, ebenso wie einen Sherry. Den kaute er ausgiebig und erklärte, es handle sich darum, eine geheime Depesche unerkannt nach Den Haag zu bringen, sie unbemerkt einem bestimmten Menschen zu übergeben, dessen Name in einem zweiten versiegelten Brief genannt werde, und den Anweisungen dieses Herrn sodann Folge zu leisten, zum Besten, wie der Abbé schloß, von König und Vaterland.
    Erstaunt bemerkte Theodor, nicht über die Maßen erstaunt zu sein. Er mußte gar nicht recht zuhören, noch weniger nachdenken, es stand gleich im ersten Moment fest, daß er den Auftrag annehmen werde, obwohl er sich hinterher manchmal fragte, ob überhaupt die Möglichkeit bestanden hätte, ihn abzulehnen.
    Viel zu groß war seine existentielle Dankbarkeit, ganz
offenbar nicht um irgendwelcher Verdienste und Äußerlichkeiten willen erwählt zu werden, nicht weil er sich darum bemüht und danach angestanden hätte, sondern einfach, weil er er selbst war, weil seine Person als solche für würdig befunden wurde.
    Diese Dankbarkeit schloß zugleich die Undenkbarkeit ein, der Auftrag könne irgend etwas Routinehaftes oder Banales, Allerweltsmäßiges besitzen – verhielte es sich aber tatsächlich so, würden sein Selbstverständnis und seine Phantasie schon dafür sorgen, ihn

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