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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Sonnenlicht im Hafen zunächst blind umhertappte, roch es essigsauer nach vergorenem Wein, den Steinboden vor den Fässern verunzierten eingetrocknete dunkle Flecke, als hätte ein Massaker hier stattgefunden, dessen Spuren nur ganz oberflächlich getilgt worden waren. Auf den Holzregalen lagerten Hunderte von Käsen in verschiedenen Reife- und Überreifestufen, und aus den hinteren Räumen drang der Bocksgestank aufgepannter Felle herein.
    So riecht also Korsika, dachte Theodor, ein Taschentuch vor die Nase haltend, bis er sie an die Ausdünstungen gewöhnt hatte.
    Ceccaldi und Raffalli, die ihn mit mißtrauischer Höflichkeit begrüßten und wie in einem mechanischen Ballett immer einen Schritt zurück machten, wenn er einen nach vorn tat, um eine Art Luftaura, einen kultischen Abstand aufrechtzuerhalten, waren keine geborenen Kaufleute.
    Der eine war Jurist, der andere eigentlich Gutsherr, hatte aber auch bereits in verschiedenen Armeen gedient, nicht zuletzt in der genuesischen. Es war schwer zu sagen, in welchem Geiste sie dieses halblegale korsische Exportkontor führten, das zugleich eine Art inoffizielle Botschaft der Separatisten war, ein konspirativer Ort und nicht zuletzt ein Symbol. Jedenfalls, soviel hatte Theodor sich sagen lassen, florierten die Geschäfte nicht sonderlich, da es gegen die Würde der Geschäftsführer zu gehen schien, ihre Waren anzupreisen oder schön darzubieten, als komme dies schon einer Erniedrigung gleich und sei eine Herabsetzung der ihnen innewohnenden Würde. Wer andererseits sich nicht für die Produkte interessierte, die sie vertrieben, beleidigte ebenfalls ihren Ehrenpuschel, denn nur über die leidige Politik zu reden, ohne die Früchte ihrer Erde zu bewundern, quittierten die Kontorherren
mit zusammengepreßten Lippen, als steckten sie wortlos Schläge ein.
    Ihre kalte Höflichkeit war extrem förmlich, sie standen da wie alte Frauen in einem Fenster, die mit beiden Händen die Läden ergriffen haben und bereit sind, sie jeden Moment zuzuschlagen, sollte der Blick des Fremden zu eindringlich werden. Sie wirkten, als seien Offenheit und Herzlichkeit ihre letzten vor den Genuesern in Sicherheit gebrachten Besitztümer, die sie eingemauert hatten, um ihrer nicht auch noch beraubt zu werden.
    Jedes Kopfnicken, jede Handbewegung, jedes Wort – und sie machten nicht viele – wurde mit verstohlenen Seitenblicken abgestimmt und in einer todernsten Parodie kultischer Würde zelebriert, die in diesem stinkenden Gewölbe mit den Weinfässern von Minute zu Minute theaterhafter wirkte.
    Unwillkürlich ging Theodor auf dieses seltsame Spiel ein, wurde ernster und ernster und immer steifer und mußte innerlich doch mit sich kämpfen, nicht entweder laut loszulachen oder ärgerlich dazwischenzufahren.
    Das marionettenhafte Zeremoniell der Korsen steuerte tatsächlich auf einen unerwarteten Höhepunkt zu. An einem bestimmten Moment des zähen Gesprächs nämlich stolzierten beide in geheimer Verabredung zu einer Tür, postierten sich zu beiden Seiten, so daß es Theodor ein wenig unheimlich wurde, öffneten die Flügel, und in dem Moment, da ein kleiner runder Mann hereinrollte, sagten sie beide wie aus einem Mund und als kündigten sie einen Heiligen an: Don Luigi Giafferi!
    Der Mann, der einen graumeliertem Vollbart trug und kurzes krauses Haar hatte, bewegte sich in gerader Linie auf Theodor zu, wie ein winziger Stier auf den Torero, streckte die Hand aus, ohne das Gesicht mit den vollen Lippen, buschigen Brauen und listigen schwarzen Knopfaugen zu verziehen, und sagte in einem Ton, bei dem man sich
nicht sofort entscheiden konnte, ihn salbungsvoll oder sarkastisch zu nennen: Don Teodoro! Willkommen!
    Theodor erwiderte den Händedruck, und nun legte der andere auch noch die Linke auf die beiden umeinander geschlossenen Hände, wartete stirnrunzelnd, bis der Reichsgesandte begriff, daß er das gleiche tun sollte, und dann standen sie da wie zwei auf dem Marktplatz einer fremden Stadt aneinander gefesselte Männer und blickten sich ein wenig ratlos an.
    Spottlust, Mitgefühl, Neugierde – Theodor konnte nur feststellen, welch widerstreitende Gefühle diese Inszenierung in ihm hervorrief, und mehr denn je fühlte er sich in einem Theaterstück, halb Zuschauer, halb Mitspieler. Wie die beiden falschen Kaufleute die Spannung gesteigert hatten. Wie der wichtige Mann unvermittelt, einem reitenden Boten gleich, auftauchte. Wie der priesterliche Ernst der Statisten auf den Auftritt Giafferis

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