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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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»Effendi, Sie sind sehr großzügig und beschäftigen siebzig Arbeiter und entlohnen sie mit zehn Piaster am Tag. Aber fünfmal so viele Arbeiter aus El Hadsch Kandil und Umgebung haben jetzt überhaupt keine Arbeit. Es gibt nichts zu tun, die Felder sind kahl wie das Haupt des Khediven. Keine Arbeit, kein Geld. Unsere Frauen und Kinder müssen verhungern, während siebzig von uns entlohnt werden wie ein Mudir.«
    »Wie ist dein Name?« erkundigte sich Flinders Petrie.
    »Ich bin der Rais Mehmed Zaki.«
    »Nun gut, Mehmed Zaki, was du sagst, ist durchaus richtig. Und daß die Heuschrecken alle Felder kahlgefressen haben, ist bedauerlich. Noch bedauerlicher ist, daß es für euch keine Arbeit gibt. Aber ich brauche nun einmal nicht mehr als siebzig Arbeiter.«
    »Es ist ungerecht, siebzig von uns wie einen Mudir zu entlohnen, während dreihundertfünfzig ganz ohne Arbeit sind. Effendi, alle Männer, die Ihr hier seht, würden für zwei Piaster am Tag arbeiten. Mehr haben sie auf den Baumwollfeldern auch nicht bekommen. Geben Sie uns Arbeit, Effendi. Sie werden es nicht bereuen.«
    Mrs. Petrie hielt noch immer das Gewehr im Anschlag. Newberry trat hinzu und nahm Hilda die Waffe aus der Hand.
    »Was sagen Sie dazu, Mr. Newberry?« Petrie wandte sich um.
    Newberry dachte nach. Schließlich meinte er: »Die Vorstellung, mit über vierhundert Arbeitern zu graben, ist verlockend, Sir. Vor allem, wenn man bedenkt, daß die Mehrkosten nicht viel mehr als hundert Piaster betragen.«
    »Ich habe schon immer gesagt, daß unsere Löhne zu hoch sind. Aber als ich hier anfing, meinte Maspero, der damals Chef der Altertümerverwaltung war, ich müßte zehn Piaster pro Mann und Tag zahlen. Der alte Gauner! Jetzt ist mir klar, warum wir noch nie Mangel an Arbeitern hatten.«
    Newberry nickte zustimmend: »Sir, die Saison dauert ohnehin nur noch vier bis sechs Wochen. Ich finde, Sie sollten es versuchen. Vielleicht gelingt es uns mit vierhundert Arbeiter ganz Amarna auszugraben.«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    Percy Newberry blickte in die Gesichter der Arbeiter. Sie hatten das Grabungshaus in einem Halbkreis umstellt und warteten gespannt auf die Antwort. »Sehen Sie sich die Leute doch einmal an, Sir. Möchten Sie alle diese Männer zum Feind haben?«
    Flinders Petrie verzog das Gesicht und hob die Augenbrauen, dann warf er Hilda einen fragenden Blick zu. Aber als die nur ratlos mit den Schultern zuckte, wandte sich Petrie wieder dem Rais zu und sagte: »Also gut, Mehmed, ich bin bereit, euch alle zu übernehmen, wenn du dich mit den übrigen Arbeitern arrangierst und die gesamte Organisation übernimmst! Ihr könnt noch heute beginnen. Mr. Newberry wird euch in verschiedene Claims einweisen.«
    Mehmed Zaki wandte sich um, um den Arbeitern den Erfolg mitzuteilen; aber schon nach wenigen Worten brachen die Männer in wildes Geschrei aus. Sie bildeten einen Kreis um das Grabungshaus und begannen stampfend zu tanzen, unterbrochen von Freudenschreien, die den Effendi hochleben ließen.
    In den folgenden Tagen und Wochen legten die Ausgräber so viele Mauerreste frei, daß allmählich der Grundriß einer ganzen Stadt sichtbar wurde, Straßen und Paläste, Tortürme und Innenhöfe, Anlagen und Säulenhallen, sogar ein von Mauern umgebenes Becken.
    Eines Abends, nach Beendigung der Arbeiten, nahm Petrie Carter beiseite und forderte ihn auf, neben sich auf einer Mauer Platz zu nehmen. »Mr. Carter«, begann Petrie, »wir sitzen hier am Straßenrand der Hauptstraße von Achetaton. Weil wir den Namen der Straße nicht kennen, nennen wir sie einfach Königsstraße. Und mit etwas Phantasie können Sie sich vielleicht vorstellen, daß dies hier ein Straßencafé ist. Wir beobachten den abendlichen Verkehr und sehen den vornehmen Leuten in feinen Gewändern hinterher, die auf dem Boulevard flanieren. Werfen Sie doch einen Blick hinüber zu der Brücke, die sich über die Königsstraße spannt! Um diese Zeit versammeln sich dort die Bewohner der Hauptstadt und warten darauf, daß Pharao Echnaton mit seiner schönen Frau Nofretete auf der Brücke erscheint, um die Huldigungen seiner Untertanen entgegenzunehmen. Links von der Brücke sehen wir die Privaträume des Königs, rechts im Hintergrund die große Säulenhalle, in der Echnaton die Großen des Reiches empfängt. Hier uns gegenüber sind die Magazine, in denen Vorräte für mehrere Jahre gestapelt sind, Getreide und getrocknete Früchte. Und dort drüben, die große Mauer umschließt den

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