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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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»Also laß hören!« sagte er mit einem Augenzwinkern.
    »Sie kennen den Franzosen im Tal der Könige?«
    »Du meinst Victor Loret?«
    »Ich glaube, so heißt er.«
    »Er ist Direktor der Altertümerverwaltung in Kairo und hat hier eigentlich nichts zu suchen. Was ist mit Loret?«
    »Es ist ein Geheimnis, Carter-Effendi, niemand darf es wissen. Mr. Loret hat im Tal der Könige das Grab eines Pharaos gefunden.«
    »Unsinn«, knurrte Carter, »Loret ist gar kein Ausgräber, er ist so etwas wie Beamter einer Behörde. Seit Wochen treibt er sich hier herum und faselt von irgendwelchen Entdeckungen. Dabei hat er von unserem Geschäft keine Ahnung. Naville sagt, er versteht mehr von Musik als von Archäologie.«
    Sayyed hob ratlos die Schultern: »Wenn ich es Ihnen aber sage, Carter-Effendi, Mr. Loret hat einen Pharao gefunden.«
    »Woher willst du das wissen? Sicher sind das wieder irgendwelche Gerüchte!«
    »Nein, Carter-Effendi, keine Gerüchte. Kommen Sie mit!«
    Sayyeds Beharrlichkeit verunsicherte Howard und machte ihn neugierig. Was hinderte ihn, sich die Sache einmal anzusehen. »Also gut«, meinte er, »machen wir uns auf den Weg.«
    Wie nicht anders zu erwarten, hielt sich im Tal der Könige um diese Zeit keine Menschenseele auf, und Carter kamen Zweifel, ob ihn der Junge nicht in einen Hinterhalt locken wollte. Irgendwie hegte er gegenüber Sayyed noch immer ein gewisses Mißtrauen. Am liebsten wäre er umgekehrt, aber plötzlich sprang Sayyed von seinem Esel und zeigte mit seiner Laterne auf einen Trichter im brüchigen Geröll, nicht viel mehr als zehn Schritte im Durchmesser, aber zwanzig Fuß tief.
    Carter verknotete Sir Henrys Zügel mit dem von Sayyeds Esel, was im übrigen eine sichere Sache war, weil es keinem Maultier einfiel, zusammen mit einem Esel die Flucht zu ergreifen – dann folgte er dem Jungen, der, sich behutsam mit einer Hand abstützend, nach unten gleiten ließ, wo ein Loch im Erdreich klaffte, gerade so groß, daß man in gebückter Haltung hineinschlüpfen konnte.
    Howard richtete sich auf und versuchte im Dämmerlicht etwas zu erkennen. »Gib mir die Laterne!« herrschte er Sayyed an.
    Sayyed reichte ihm die Lichtquelle, ohne zu murren.
    Von ihrem Standpunkt, einem in den Fels geschlagenen Absatz, der knöcheltief mit Sand, Staub und Bruchsteinen bedeckt war, führten steile Stufen in die Tiefe. Im schwachen Lichtschein der Laterne war das Ende der Treppe nicht zu erkennen. Aus Erfahrung wußte Carter genau, daß es lebensgefährlich war, ungesichert in ein Grab einzudringen. Die alten Ägypter hatten die Gräber ihrer Könige mit Fallgruben, Trittfallen und mannshohen Quadersteinen ausgestattet, die von der Decke stürzten und jeden Eindringling zermalmten. Aber Howard verdrängte solche Gedanken, er war vom Jagdfieber gepackt.
    »Du bleibst immer zehn Schritte hinter mir!« kommandierte er mit leiser Stimme, und als Sayyed keine Antwort gab: »Verstanden?«
    »Ja, Carter-Effendi.«
    Behutsam darauf bedacht, den feinen Staub nicht aufzuwühlen, der die Stufen zentimeterhoch bedeckte und nach kurzer Zeit die Lungen verstopfte, suchte Howard den Weg nach unten. An manchen Stellen waren deutliche Fußspuren zu erkennen. Mit jedem Schritt wurde die Luft stickiger. Es roch seltsam süßlich. Die Stufen wollten kein Ende nehmen.
    Endlich erreichte Howard einen zweiten Absatz, von dem ein Korridor, mehr hoch als breit, in leichter Schräge weiterführte. Sein Ende verlor sich in der Dunkelheit.
    Howard schwenkte seine Laterne, um Sayyed ein Zeichen zu geben, er solle ihm nach unten folgen. »Aber vorsichtig und langsam«, rief er leise, »damit möglichst wenig Staub aufgewirbelt wird. Sonst ersticken wir hier unten!«
    Sayyed tat, wie ihm geheißen. Unten angelangt, blieb er stehen, während Carter, magisch angezogen von einer unbekannten Kraft, seinen Weg fortsetzte. Er hatte kein Auge für die kunstvollen Reliefs an den Wänden, wo tierköpfige Götter gespenstische Riten vollführten und endlose Bänder mit Hieroglyphen vom Leben eines Pharaos erzählten. Mit der Laterne den Boden absuchend, setzte Howard einen Fuß vor den anderen, bis sich plötzlich in der pechschwarzen Nacht vor ihm ein senkrechter Schacht auftat, so tief, daß der Lichtschein seiner Laterne den Grund nicht erreichte. Der Schacht maß drei mal drei Meter im Quadrat. »Großer Gott!« stammelte Carter; im selben Augenblick hatte Sayyed ihn eingeholt. Gemeinsam knieten sie nieder und starrten in die unergründliche

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