Der König von Luxor
es dauern, bis du eine Spur gefunden hast?« fragte Carter an Sayyed gewandt.
Der musterte jeden einzelnen von seinen Brüdern, und während er die Schultern hob und seine Handflächen nach außen kehrte, erwiderte er: »Das weiß nur Allah; aber Allah ist auf unserer Seite, und Allah wird nicht zulassen, daß es lange dauert.«
Tatsächlich meldete Sayyed schon am Abend desselben Tages einen ersten Erfolg. Ahmed Abd-er-Rassul und Mustafa Aga Ayat hätten sich im Hotel »Luxor« verabredet, und der Treffpunkt sei kein Zufall. Denn in der Nacht zuvor sei die geheimnisvolle Schiffsladung in dieses Hotel gebracht worden.
Von Sayyed stammte die Idee, Ayat und Abd-er-Rassul vor dem Hotel aufzulauern und ihren Weg zu verfolgen. Also mieteten sie eine Droschke und gaben dem verblüfften Kutscher die Order, sich nicht vom Fleck zu rühren.
Nach einer knappen Stunde wurde ihr Warten belohnt. Ayat und Abd-er-Rassul näherten sich aus verschiedenen Richtungen, sie wurden erwartet. Der Mann, der ihnen entgegentrat, war zumindest Howard kein Unbekannter: Robert Spink.
»Ein Engländer!« flüsterte Sayyed Carter zu. »Er wohnt seit kurzem in diesem Hotel.«
»Ich kenne ihn nur zu gut«, erwiderte Howard. »Wo er auftaucht, gibt es Ärger.«
Die drei Männer verschwanden im Hoteleingang, und Carter machte Anstalten, ihnen zu folgen.
Sayyed hielt Howard zurück: »Bleiben Sie, Carter-Effendi. Sie würden nur auffallen.«
»Ich will wissen, was da abläuft«, wehrte sich Carter, »ich muß da hinein!«
»Keine Bange!« Sayyed nickte Howard zu wie ein Vater, der seinem Sohn erklärt, er brauche sich um seine Zukunft keine Sorgen zu machen. »In der Hotelhalle wartet mein ältester Bruder Anis, und im Park hält sich Ali versteckt, unser Jüngster. Keine Bange, den beiden entgeht nichts.«
»Du bist ein Teufelskerl!« bemerkte Carter anerkennend.
Da zuckte Sayyed zusammen wie unter einem Peitschenhieb, und er rief leise: »Carter-Effendi, das dürfen Sie nicht sagen, Iblis, der Name des Teufels, ist das schlimmste Wort in unserer Sprache. Sagen Sie lieber, ich bin ein Kerl Allahs. Das bedeutet viel Anerkennung für Sayyed.«
»Also gut, Sayyed, du bist wirklich ein Kerl Allahs.«
In diesem Augenblick trat Anis aus dem Hoteleingang und hielt nach Sayyed und Carter Ausschau. Als er sie in der Kutsche entdeckte, gab er ihnen ein Zeichen, ihm zu folgen. Ohne ein Wort zu verlieren, durchquerten sie die Hotelhalle, in der sich um die frühe Abendstunde viele Menschen drängten, so daß ihr Erscheinen nicht weiter auffiel, und begaben sich zum rückwärtigen Ausgang, der in den Park führte.
Es dauerte eine Weile, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Plötzlich stand Ali vor ihnen, der Zwerg, und fuchtelte mit seinen kurzen Armen herum, sie sollten ihm folgen. Er schien sehr aufgeregt.
Einer nach dem anderen durchquerten die Männer den dichtbewachsenen, finsteren Park, bis Ali vor einer Art Gartenhaus haltmachte. Das klotzige, ebenerdige Gebäude maß kaum mehr als zehn Schritte im Quadrat und hatte keine Fenster. Nur durch die wuchtige Türe, deren Oberseite verglast war, fiel ein matter Lichtschein. Aus dem Inneren drangen leise Stimmen.
Sayyeds ältester Bruder Anis stellte sich mit dem Rücken gegen die Türe, formte mit den Händen einen Steigbügel und bedeutete Howard aufzusteigen. Der zögerte nicht lange, schwang sich in die Höhe und spähte in das Innere des Gartenhauses. Was er sah, verschlug ihm die Sprache.
Der enge Raum war angefüllt mit Ausgrabungen und kostbaren Funden. Übereinandergestapelt lagen Kunstschätze erlesenster Art, goldene Geschirre, Statuen und Schreine, Kanopenkrüge, Relieftafeln und Malereien, und in der Mitte des Raumes eine Mumie. Darüber gebeugt Mustafa Aga Ayat, Ahmed Abd-er-Rassul und – Robert Spink. Ahmed ging gerade daran, mit Hilfe eines Messers die Bandagen der Mumie aufzuschneiden.
Carter war fassungslos. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, sagte er zu Sayyed: »Wir müssen schnell handeln, bevor es zu spät ist. Du verständigst den Polizeivorsteher Hamdi-Bey. Ich laufe zu Loret.« Und an die beiden Brüder gewandt: »Und Ihr laßt das Gebäude nicht aus den Augen.«
Doch noch ehe jeder seinen Weg genommen hatte, geschah das Unerwartete. Der tolpatschige Zwerg Ali stolperte in der Dunkelheit über eine Baumwurzel und stürzte mit einem Aufschrei zu Boden. Aufgeschreckt durch den Lärm, verließen die drei Räuber das Gartenhaus und
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