Der König von Luxor
Passagiere ein, jeweils in zwei Automobilen, eines für das Gepäck und eines für die Herrschaften. Die Schaulustigen hinter der Absperrung tuschelten über die Größe der Schrankkoffer von Louis Vuitton und über die Anzahl der mitgeführten Hutschachteln; und die Garderobe der Damen entlockte ein vielfaches »Ah« und »Oh« und nicht selten bewundernden Beifall.
Ein kleiner Mann im schlichten Tweedanzug wurde mehr beklatscht als alle Damen. Er winkte fröhlich, als er mit kurzen Schritten die steile Gangway erklomm und im Bauch des schwarzen Schiffes verschwand. Eine Jazzkapelle am Kai spielte »Sweet Lovin’ Man«.
Gleich darauf erschien Howard Carter, begleitet von Phyllis Walker und seinem Agenten Lee Keedick. Beifall brandete auf. Howard, auf Anraten Keedicks in ein sportliches Norfolk-Jackett gekleidet, den Inverness-Mantel lässig über dem Arm, blickte sich neugierig um, wem der Applaus gelte, bis er die Rufe vernahm: »Carter, Carter, Carter!«
Phyllis trug, neuester Mode entsprechend, ein kurzes Reisekostüm und einen Topfhut auf dem Kopf. Während zwei Dutzend Kameras auf sie gerichtet waren, raunte sie Howard zu: »Das gilt alles dir. Ich bin so stolz auf dich!«
Obwohl er den Rummel um seine Person inzwischen gewöhnt war, wandte sich Howard verlegen zu Keedick um und fragte: »Woher kennen mich die Leute eigentlich, und woher wissen sie, daß ich nach Amerika reise?«
Lee zog ein paar Zeitungen aus der Jackentasche und hielt sie Howard vor die Nase: »Howard Carter nach USA « – »Der König von Luxor erobert Amerika« – »Der Entdecker des Pharaos auf USA-Tournee.«
»Was Lee Keedick macht, macht er gründlich!« bemerkte er lächelnd. »Aber das ist nur der Anfang! Warten Sie ab, was geschieht, wenn wir in Amerika sind!«
Bevor die drei sich anschickten, an Bord zu gehen, wurden sie von einer Schar Reporter aufgehalten.
»Mr. Carter, Ihr Finanzier, Lord Carnarvon, kam auf mysteriöse Weise ums Leben. Es heißt, der Fluch des Pharao habe ihn getroffen. Müssen Sie nicht ebenfalls um Ihr Leben bangen?«
»Mr. Carter, welche Bewandtnis hat es mit diesem Fluch?«
»Mr. Carter, wie gedenken Sie sich vor dem Fluch des Königs zu schützen?«
»Mr. Carter…«
Howard Carter machte ein mürrisches Gesicht. Dann wandte er sich entschlossen den Fragestellern zu und erwiderte: »Unsinn, Gentlemen, alles Unsinn!«
Noch bevor er sich weiter äußern konnte, trat Keedick mit ausgebreiteten Armen vor Carter hin, um ihn vor den bohrenden Fragen der Reporter zu schützen, und raunte ihm zu: »Sind Sie wahnsinnig, Carter? Eine bessere Werbung für unsere Tournee konnten wir uns gar nicht wünschen!« Und an die Reporter gewandt sagte er: »Mr. Carter meint natürlich, der Tod Lord Carnarvons ist ein großes Unglück, und niemand kann sagen, wen der Fluch des Pharaos als Nächsten treffen wird. Im übrigen steht Mr. Carter denjenigen von Ihnen, die mit nach New York reisen, für ein kurzes Interview zur Verfügung.«
»Außerhalb der Exklusivitätsklausel der Times?«
»Diese Regelung bezieht sich nur auf die Ausgrabungen und die Berichte aus Luxor. Was Ihnen Mr. Carter außerhalb der Sieben-Meilen-Zone sagen wird, ist von dem Vertrag ausgenommen.«
»Mr. Carter, die junge Frau an Ihrer Seite…«
»Mr. Carter, eine letzte Frage vor Ihrer Abreise…«
Lee Keedick hob abwehrend die Hand: »Keine weiteren Fragen, keine weitere Stellungnahme. Gentlemen, ich danke Ihnen.«
Auf dem Oberdeck der »Berengaria«, wo die teuersten Kabinen lagen, hatte Keedick zwei Suiten nebeneinander gebucht, eine für sich und eine für Carter und Phyllis.
»Wie stellen Sie sich das vor?« polterte Howard los, als er bemerkte, daß er sich mit seiner Nichte eine Suite teilen sollte. »Phyllis ist eine attraktive, erwachsene Frau, und ich bin ihr Onkel!«
»Eben«, stellte Keedick gelassen fest, »aber was den Onkel betrifft, sollten Sie Ihr verwandtschaftliches Verhältnis so schnell wie möglich vergessen. Sie sind zweifellos berühmt, Mr. Carter, beinahe weltberühmt, aber eine junge Frau an Ihrer Seite ist mehr als alles andere geeignet, Ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Alle amerikanischen Zeitungen werden Ihr Bild mit der schönen jungen Frau jedem Politiker vorziehen. Das ist der Unterschied zwischen Amerika und Europa: in Europa findet man auf Seite 1 nur Politiker im Frack, in Amerika lächeln Ihnen die schönsten Frauen entgegen. Im übrigen kann ich mir nicht vorstellen, daß Ihnen die Nähe von Miss
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