Der König von Luxor
und Statuetten, gefielen ihm mehr; aber immer wieder blieb sein Blick auf der Aphrodite-Statue aus weißem Marmor haften. Seine Augen verschlangen geradezu das Ebenmaß in den Körperformen der griechischen Göttin.
Schließlich nahm er ein Blatt Papier und einen Stift und begann die marmorne Statue zu zeichnen. Zu seinem Erstaunen geriet das Bild eher lebendig als statuenhaft, so als sei es nach einem lebenden Vorbild gezeichnet. Seine Phantasie führte den Zeichenstift und ließ in kurzer Zeit sein Idealbild einer Frau entstehen, so wie er es unzählige Male ersehnt und erträumt hatte, kein jungfräuliches Wesen, wie die Skulptur es darstellte, nein, ein aufregendes Frauenzimmer in sinnlicher Nacktheit, mit vollen Brüsten und dem Kopf von Miss Jones. Wie oft hatte Carter ihr Gesicht studiert! Er kannte jede Einzelheit, den breiten Haaransatz und die strenge Frisur, ihre kräftigen, geschwungenen Brauen, die langen Wimpern und die rätselhaften, dunklen Augen, welche die Pupillen kaum erkennen ließen. Links auf der Oberlippe befand sich ein winziges Muttermal, das sich beim Sprechen bewegte. Aber was das größte Können eines Malers erforderte, war Sarahs Mund, der in der Mitte breit und sinnlich war wie eine Kirsche und sich in einer Wellenlinie zu den Mundwinkeln hin verjüngte.
Howard erschrak, als es an der Bibliothekstür dreimal klopfte, das abgesprochene Erkennungszeichen, damit sie kein anderer überraschte.
»Und wie kommst du mit der Arbeit voran?« fragte Miss Jones, während Howard die Türe wieder verschloß.
»Es geht so, danke der Nachfrage«, erwiderte Howard mißmutig. Insgeheim hatte er bereits den Entschluß gefaßt, die Archivierungsarbeit zu beenden. Er wollte nur den passenden Augenblick abwarten, um Miss Jones davon in Kenntnis zu setzen. Sollte sich doch Chambers oder Gott weiß wer damit beschäftigen.
Sarah Jones schien guter Dinge, was Howards Laune noch abträglicher war, als ihr Blick mit einem Mal auf die Zeichnung fiel, die Howard auf dem Schreibtisch liegengelassen hatte. Und noch bevor dieser sie verschwinden lassen konnte, nahm Sarah Jones das Blatt in die Hand. Howard fühlte, wie das Blut in seinen Kopf schoß, und er suchte krampfhaft nach einer Ausrede oder Erklärung; aber Sarah ließ ihm dazu gar keine Zeit.
Sie hatte sich längst erkannt und sah Howard mit eisiger Miene an. Dann trat sie einen Schritt auf ihn zu und verabreichte ihm eine Ohrfeige.
Es war nicht der kurze Schmerz, den er verspürte, ja nicht einmal die Demütigung, welche Howard lähmte, viel mehr trug die Scham dazu bei, die er empfand. In seiner Hilflosigkeit war ihm zum Heulen zumute, und es gab keinen Grund, diese Tränen zu unterdrücken. Starr blickte er an Sarah Jones vorbei. Er ahnte nicht, daß auch sie mit den Tränen kämpfte. Allerdings waren diese von ganz anderer Natur. Sarah war wütend über sich selbst und ihr unkontrolliertes Verhalten; denn eigentlich gab es keinen Grund, Howard zu bestrafen, weil er sie nackt gezeichnet hatte. Das Bild schmeichelte ihr, und allein der Gedanke, ihr den Körper einer griechischen Göttin zu geben, bedeutete ein Kompliment. Im übrigen war der Junge einen Kopf größer als sie und eine Ohrfeige in jedem Falle unangebracht.
»Howard, sieh mich an!« sagte Sarah.
Nach langem Zögern kam Carter der Aufforderung nach. Sie bemerkte, wie der große Junge mit den Tränen kämpfte; da nahm sie seinen Kopf in beide Hände und preßte seine linke Wange gegen die ihre. »Ich habe das nicht gewollt, Howard, verzeih mir!« flüsterte sie.
Carter hatte noch immer nicht zu sich gefunden, er ließ die Arme willenlos herabhängen, ohne Miss Jones zu berühren. Auf Sarah machte das den Eindruck, als ob ihm ihre zärtliche Geste gleichgültig wäre. Deshalb faßte sie seine Handgelenke und legte Carters Arme um ihren Leib, während ihr sinnlicher Mund sich dem seinen näherte.
Als sich jedoch ihre Lippen berührten und Sarah dabei leicht den Mund öffnete, da empfand Carter etwas, was er noch nie zuvor gefühlt hatte. Es schien, als zuckte elektrischer Strom durch seine Lippen und breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Er fühlte eine seltsame Hitze, die von ihrem Mund ausging und sich in alle Glieder verbreitete, eine Hitze, die ihn taumeln ließ und ihm den Verstand raubte.
Gerade noch hatte er Sarah verwünscht und sich fest vorgenommen, aus ihrem Leben zu verschwinden, und nun wünschte er, ja, er beschwor den Augenblick, er möge nie enden. War das
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