Der Koenig von Rom
diesem Augenblick ließ der Alte wieder das Messer aufspringen und sagte zu Libanese: „Siehst du diese Wurst da, die an der Schur hängt?“ Libanese nickte.
Der Alte sagte: „Schau auf die Schnur, schau gut hin … so …“
– Und eine Sekunde später … da lass ich mich abstechen, wenn ich dir ’ne Lüge erzähl, Giada … lag die Wurst auf dem Boden, und die Schnur hing von der Decke, genau in der Mitte entzweigeschnitten. Und mir war nicht mal aufgefallen, dass er das Messer gezückt hatte …
Der Alte, den alle für gleichzeitig harmlos und verschlagen hielten, war niemand anderer als Scarnicchia. Der letzte große Halbstarke von Rom.
– Du wirst zu mir sagen: Na und? Und ich sage zu dir: Wenn ich jemals einen Lehrmeister gehabt habe, dann Scarnicchia. Von ihm habe ich alles gelernt. Wie man mit dem Messer umgeht, wie man eine Beleidigung ausspricht und wie man reagiert, wenn man selbst beleidigt wird. Wie man auf der Straße geht, mit hoch erhobenem Kopf und rausgestreckter Brust, und wann man mutig sein und wann man hingegen den Schwanz einziehen muss. Von ihm hab ich gelernt, was Respekt und Ehre bedeuten.
Scarnicchia hatte sich wegen einer Liebesgeschichte zugrunde gerichtet. Bei einer Schlägerei mit seinem Rivalen hatte er zwei Faustschläge zu viel ausgeteilt, und der andere hatte das Zeitliche gesegnet. Scarnicchia hatte sich gestellt. Er bereute es nicht, aber er würde anständig dafür büßen. Nie hätte er sich gedacht, dass ihn die Frau sitzen lassen würde, für die er zwanzig Jahre lang in den Knast ging, um einen Kredithai von der Piazza dei Caprettari zu heiraten.
– Bei seinem Begräbnis habe ich den Sarg auf der Schulter getragen. Ich habe geweint wie ein Kind. Scarnicchia war ein Großer. Solche wie ihn gibt es nicht mehr.
So, die Geschichte war zu Ende. Aber Giada hörte ihm nicht mehr zu. Sein Augenstern war eingeschlafen.
– Du bist so süß, flüsterte Libanese, zerbrechlich, sexy … Vielleicht werde ich dir wehtun, und ich schwöre dir, dass es mir leid tun wird. Aber vielleicht werde ich dir auch nicht wehtun, und dann lautet die Frage: Was tu ich eigentlich hier bei dir?
Giada schlief noch immer, als Nembo Kid am nächsten Morgen vor dem Fenster pfiff. Nembo musste für seine sizilianischen Freunde ein paar Revolver aufbewahren. Libanese ging mit ihm auf die Baustelle, wo sie sich über den Preis einigten. Er nahm die Waffen und trug sie in die Garage.
Als er nach Hause zurückkam, war seine Mutter da. Die beiden Frauen tranken Kaffee wie zwei alte Freundinnen. Sora Pina erwiderte kaum seinen Gruß, küsste Giada zum Abschied auf beide Wangen (sie nannte sie „Signora“), und bevor sie ging, warf sie Libanese einen glühenden Blick zu.
– Was hat meine Mutter zu dir gesagt?, fragte er, als sie wieder allein waren.
– Dass ich dir nicht trauen soll.
XXI.
Beim Verlassen der Pferderennbahn zählte Libanese den Gewinn. Ein anständiger Tag. Scrocchia hatte sich krank gemeldet, aber Turco hatte ein paar sensationelle Zweierwetten gewonnen.
Ergebnis: drei Mille. Kapital für das große Projekt.
– Auf ein Wort, Libano …
Er musterte die beiden Typen, die ihn in die Mitte genommen hatten: ’o Marocco und Giamesbonde, zwei Dealer, die mit Puma zusammenarbeiteten. Früher hatte Giamesbonde Giada mit Stoff versorgt. Der Gesichtsausdruck der beiden gefiel ihm nicht.
– Was ist?
Der Schlag kam total unerwartet, aus heiterem Himmel, wie es so schön heißt. Plötzlich lag er flach auf dem Boden.
Als er aufzustehen versuchte, verpassten sie ihm einen Tritt gegen die Schulter.
– Schon gut, es reicht, was wollt ihr?
Er drehte sich um die eigene Achse, und ein weiterer Fußtritt zerschmetterte ihm den Brustkorb.
– Gerüchten zufolge verkaufst du dem Künstler Stoff.
– Nur mit der Ruhe, Jungs. Puma weiß alles.
– Wir arbeiten nicht mehr mit Puma zusammen, Libanese.
– Jetzt arbeiten wir für Terribile.
– Er beliefert den Künstler.
– Der Künstler gehört uns.
– Der Künstler ist tabu.
– Es gibt eine Abmachung, hast du begriffen, du Trottel?
– Deshalb wirst du keinen Fuß mehr in sein Haus setzen.
Giamesbonde zückte die Pistole und entsicherte sie.
– Wie viel hast du ihm abgenommen?
– ’Ne Kleinigkeit.
– Gut. Von nun an gehört das uns. Du bist doch einverstanden, oder?
– Und das da nehmen wir uns auch.
– Drei Riesen. Gar nicht so schlecht, oder?
– Irgendein Problem, Libano?
Verdammt. Es war so gut gelaufen. Zu
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