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Der Koenig von Rom

Der Koenig von Rom

Titel: Der Koenig von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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betroffen war.
    Sandro war am Boden zerstört. Sandro weinte. Giada hielt ihm die Hand. Die Genossen kamen und gingen, konnten sich keinen Reim darauf machen. Sicher, dachte Libanese, während er ein solidarisches, brüderliches Lächeln aufsetzte, grau ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum, nicht wahr, meine Kleinen? Das Lumpenproletariat, blablabla, die Revolution, blablabla, der gemeinsame Weg, blablabla … Aber welche Ironie des Schicksals: Früher hatten sie die Bullen geschmäht, jetzt beschworen sie sie als Retter des Vaterlandes herauf.
    Sandro konnte sich überhaupt nicht mehr fassen. Er gab sich für alles die Schuld. Er hatte der Polizei einen Geiseltausch vorgeschlagen, nehmt mich an seiner Stelle, hatte er gebrüllt, und sie hatten ihn zuerst kreischen lassen, dann freundlich weggeschickt, und als er wieder von vorne anfing, hätten sie ihn beinahe geprügelt. Sandro im Keller, das wäre ja noch schöner gewesen! Auf jeden Fall hatte man beschlossen, dass immer seine Mutter die Telefonate entgegennehmen sollte. Sandro war zu Hause nur im Weg, und man hatte ihn höflich überredet zu verschwinden.
    Libanese, ein weiser und verständnisvoller Bruder, versprach, sich in seinem nicht genauer definierten „Milieu“ ein wenig umzuhören. Giada sah ihn mit glänzenden Augen an. Sandro küsste ihn auf die Wangen.
    – Aber erzählt der Polizei nichts von mir, beschwor er sie, ich möchte nicht, dass sie auf merkwürdige Ideen kommen.
    Giada schwor, und was sie anbelangte, hätte Libano seine Hand ins Feuer gelegt. Sandro öffnete wieder alle Schleusen. Unglaublich. Wie war das möglich? Gestern hatte er seinem Vater, diesem Arschloch, noch den Tod gewünscht, und jetzt …
    Libanese bat sie um vierundzwanzig Stunden, um sich etwas umzuhören.
    Inzwischen verwöhnte Marisa den Commendatore mit Spaghetti alla gricia und Schnitzel, Bufalo und Scrocchia wechselten sich bei der Bewachung ab, und Dandi machte seine Anrufe, immer aus verschiedenen öffentlichen Telefonzellen, wobei er die Stimme verstellte.
    Als Libanese von seiner „Recherche“ zurückkam, teilte er Sandro und Giada mit, dass seinen Quellen zufolge die Entführer von außerhalb waren, vielleicht Sarden, vielleicht Kalabresen.
    – Meine Mutter sagt, der Anrufer sei Römer, unterbrach Sandro.
    – Wenn es Berufsverbrecher sind, können sie einen Akzent vortäuschen.
    Sandro nickte. Der Junge vertraute ihm wirklich. Libanese brach kalter Schweiß aus. Er hatte im letzten Augenblick die Kurve gekratzt, aber Dandi war ein Pfuscher. Er hatte sich bei der ersten Gelegenheit in die Karten schauen lassen. Von nun an gab es keine Anrufe mehr, nur Briefe.
    Jetzt musste er mit Sandro sprechen. Aber der Junge machte ihm Sorgen. In seinem Zustand war er zu allem fähig. Selbst zu einer Wahnsinnstat. Vielleicht gab er sich den goldenen Schuss und landete auf dem Friedhof. Aber Libanese brauchte keine Toten, sondern Geld. Und um an Geld zu kommen, brauchte er Sandro. Als Giada einen Augenblick lang nicht herschaute, reichte er ihm einen Joint. Der Stoff wirkte, die Wogen glätteten sich, und endlich konnte man zum Wesentlichen kommen.
    – Los, komm, drehen wir eine Runde, wird dir guttun.
    Giada bestand darauf, sie zu begleiten.
    Libanese fuhr mit ihnen nach Ostia. Sandro begann im Sand zu spielen.
    – Schau aufs Meer hinaus, das vertreibt die schlechten Gedanken.
    Sandro nahm seinen Kopf zwischen die Hände.
    – Und wenn sie ihn umbringen?
    – Warum sollten sie?
    – Weil es Bestien sind, schrie Giada.
    Libanese lächelte.
    – Meiner Meinung nach sind es Profis. Das ist das Gesetz der Straße, flüsterte er und blickte dabei Giada an. Die sind nur an Geld interessiert. Du wirst sehen, sie behandeln ihn gut, und er wird nach Hause kommen. Ich glaube sogar …
    – Was?
    – Wie viel verlangen sie?
    – Vier.
    – Donnerwetter. Hat denn dein Vater so viel Geld?
    – Ich weiß nicht, ich glaub schon …
    – Und was sagt deine Mutter?
    – Sie tut so, als wüsste sie es, hat aber von nichts eine Ahnung.
    – Tja, vielleicht geben sie sich auch mit zweieinhalb zufrieden, mit zwei … Aber wozu die Heulerei, Sandro? Du solltest die Situation in die Hand nehmen.
    – Das … das schaffe ich nicht, Libano! Ich …
    Libanese umarmte ihn. Sein Tonfall wurde gleichzeitig entschlossen und einschmeichelnd.
    – Ich erzähle dir eine Geschichte, Sandro. Als ich ungefähr zehn, elf Jahre alt war, haben sie mich in ein Ferienheim geschickt, genau hierher

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