Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
treffen. Ein Schmerzensschrei glitt über die Lippen des Polizisten. Der Leibwächter wirbelte herum und riss Reißfeld dabei ganz aus dem Rollstuhl. Für einen Sekundenbruchteil schwankte er unter der Last des Ministers vor und zurück, bis er endgültig das Gleichgewicht verlor.
Reißfeld schaute einen Moment lang in den Abgrund. Und dann löste sich die Schwere, die er seit seinem Reitunfall verspürt hatte. Sein massiger Körper drückte nicht länger auf die toten Beine, sondern wurde leicht. Er begann zu schweben.
Er presste die Papiere fest an sich. Das Geheimdokument durfte durch den Sturz nicht beschädigt werden. Mit seinem Körper würde er es schützen.
Er sah das Meer, die Klippen und den klösterlichen Garten, und alles geschah in einer unendlichen Langsamkeit, wie in Zeitlupe. Szenen seines Lebens zogen an ihm vorbei. Frauengesichter lächelten ihm zu, an manche konnte er sich erinnern, an andere nicht. Seine Eltern waren plötzlich da, und er war ein kleiner Junge, der mit seinen Schwestern spielte. Er fragte sich, ob er die Papiere wohl fest genug umklammerte, und fand darauf keine Antwort.
Ein Lächeln eroberte sein Gesicht, als er sich selbst sah, auf seiner Lieblingsstute in vollem Galopp. Dann schlug er auf den Felsboden.
Kapitel 53
Parker lag flach ausgestreckt auf dem steinernen Boden des Kreuzgangs. In seinem Mund steckte das Ersatzmagazin der Halbautomatik, das er aus der Hosentasche gezogen hatte. Er drückte auf den Knopf an der Seite der Pistole, um das leer geschossene Magazin zu lösen. Mechanisch rastete es aus der Halterung im Griff. Er zog es heraus und steckte das andere in den Schlitz. Dann feuerte er mehrere Schüsse über den Sockel und hob zugleich für einen Sekundenbruchteil den Kopf. Aber der Killer war nicht mehr zu sehen.
Unschlüssig blickte Parker sich um, bis er die Geräusche hörte. Blankes Entsetzen übermannte ihn.
Leise Schritte drangen vom Dach des Kreuzgangs an sein Ohr. Erst kamen sie immer näher und waren dann plötzlich nicht mehr zu hören. Stille.
Verzweifelt glitt sein Blick an der Dachkante entlang, die mit einer schmalen Regenrinne versehen war.
Wo würde der Killer bloß angreifen? Wo?
Vorsichtig robbte er ganz nah an die Innenwand des Kreuzgangs heran und lehnte seinen Rücken an die Wand. Mit beiden Händen hielt er die Pistole ausgestreckt vor sich, bereit, jederzeit abzudrücken.
Sein Herz raste, aber seine Finger waren ruhig. Sein Geist hatte die Angst abgeschüttelt. Er war pure Konzentration.
Komm!
Und dann ertönte ein metallisches Pling .
Er schwenkte die ausgestreckte Pistole nach rechts und links, aber er entdeckte nichts.
Pling .
Über ihm. Es war genau über ihm. Er riss die Waffe hoch und schaute über den Lauf auf die massiven Holzbohlen, die die Unterkonstruktion des Dachs bildeten.
Pling .
Irgendetwas tropfte in die Regenrinne.
Er stand auf, trat vor und begriff. Der Killer stand genau über ihm auf dem Dach – und er blutete. Es war Blut, das in die Regenrinne tropfte.
Einen Augenblick lang starrte er gebannt nach oben. Dann sprang er wie besessen nach vorne in den Innenhof, wirbelte im Lauf herum und feuerte und feuerte.
Den Killer konnte er nur schemenhaft erkennen. Wie eine Katze schmiegte sich eine Gestalt an die hell schimmernden Schindeln des Dachs über dem Wandelgang. Verstört wurde ihm klar, dass seine Schüsse harmlos über den Killer hinweggegangen waren. Ein Schrecken durchfuhr ihn, als er sich die tödliche Gefahr vergegenwärtigte, in die er sich selbst gebracht hatte. In jäher Todesangst schlug er jetzt Haken wie ein Hase und hetzte auf die gegenüberliegende Seite des Wandelgangs zu. Schüsse fielen, und ein Stich fuhr ihm ins rechte Bein. Dann hörte er Flüche des Killers, der wutentbrannt seine Waffe auf die Dachziegel schlug.
Ladehemmung! In Parkers Kopf explodierten die Euphoriehormone. Die Ingram hat eine Ladehemmung!
Fast wahnsinnig vor Adrenalin hechtete er auf den schützenden Innengang zu, doch mitten im Lauf knickte sein rechtes Bein jäh um wie ein Strohhalm, und er schlug längs auf den Rasen des Innenhofs. Als er sich aufrappeln wollte, stürzte etwas Dunkles auf ihn und begrub ihn unter sich. Der Killer war vom Dach auf ihn herabgesprungen. Parker wurde brutal zu Boden gedrückt. Er roch Schweiß, schmeckte Blut und spürte den unbändigen Hass seines Gegners. Ein heftiger Schlag mit der funktionsuntüchtigen Ingram traf ihn an der Stirn, und dabei lösten sich die restlichen
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