Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
sie.
Er hob den Kopf, schaute nach rechts und links, was ihm einen stechenden Schmerz zwischen den Schläfen einbrachte. Er lag auf einer Pritsche, und aus seinem Arm ragte eine blaue Kanüle, die mit einem Tropf verbunden war. Er befand sich offenkundig in einem der Munitionshäuser. Der Raum war groß, und überall standen weitere Pritschen, auf denen uniformierte Männer lagen. Die meisten der Soldaten dämmerten vor sich hin. Einige waren wach und unterhielten sich leise miteinander.
Die Klarheit kehrte allmählich in seinen Geist zurück. „Was ist passiert?“
„Du hast mir das Leben gerettet. Du hast mich aus der Salzmine getragen.“
Er betrachtete Zoé. Sie trug eine grüne Uniformjacke mit der französischen Trikolore auf dem rechten Arm. Ihre blauen Augen glänzten wie vulkanische Maare unter der Militärmütze. Er erhob sich von der Liege, und sein Blick fiel auf ihren bandagierten rechten Arm, der in einer tuchähnlichen Schlinge lag. Auch ihre linke Hand trug einen leichten Verband. „Bist du verletzt?“
„Nur ein bisschen.“ Sie berichtete ihm kurz von den Ereignissen, und seine Erinnerung kehrte langsam zurück. „Nachdem alle aus Kammer 984 geflohen sind, hat es auf der Sohle vor dem Aufzug einen erbitterten Kampf mit den Gangstern gegeben. Viele Soldaten sind tot oder schwer verwundet, aber am Ende gewannen Böhms Männer die Oberhand. Die Kanzlerin hat einen Streifschuss abbekommen. Böhm und seinen Leuten ist es schließlich gelungen, auch die Verbrecher über Tage zu besiegen, weil sie ohne den Stutzer führungslos waren. Die Gangster sind geflohen, als sie merkten, dass die ganze Operation gescheitert war. Böhm ist sofort mit der Kanzlerin an einen geheimen Ort ausgeflogen worden. Uns beide hat man natürlich auch für tot gehalten, bis du dem Suchtrupp in die Arme gelaufen bist.“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aber das ist jetzt alles unwichtig. Hier!“ Sie reichte ihm ein kleines, goldgelb schimmerndes Teil. Er ließ es in seine Finger gleiten. Bernstein.
„Das haben die Soldaten aus der Mine mitgebracht.“ Eindringlich schaute sie ihn an und steckte sich die Haare unter die Mütze. Er sah, dass ihre schwarze Haarpracht etwas gelitten hatte. Über dem linken Ohr fehlten einige der Strähnen, die ihm so gut gefallen hatten. „Die kläglichen Überreste des berühmten Bernsteinzimmers“, murmelte er, wobei er den Stein kaum beachtete.
„Schau dir das Stück genau an.“
Er drehte es zwischen seinen Fingern hin und her und hielt es gegen das Licht. Anscheinend war er doch noch nicht ganz auf dem Damm, denn erst jetzt entdeckte er die kleine Fliege.
Er schätzte das Alter des Insekts auf ungefähr dreißig bis fünfzig Millionen Jahre. Als das Harz der gewaltigen Kiefernwälder im Nordosten Europas in grauer Vorzeit zu Bernstein wurde, hatte die kleine Fliege ein luftdichtes Grab erhalten, das ihren Körper bis heute konservierte. In keinem Bernsteinmuseum fehlten Ausstellungsstücke dieser Art. „Inklusen.“
„So ist es.“ Das Blau ihrer Augen blitzte triumphierend.
Abermals packte ihn ein Schwindel, aber diesmal einer der ganz anderen Art. Thalberg hatte sie erneut hereingelegt.
Der gewiefte Agentenführer hatte sie getäuscht. Das Salzbergwerk war die grandiose Kulisse für einen raffinierten Zaubertrick. Vor aller Augen hatte Thalberg das Bernsteinzimmer spurlos verschwinden lassen. Bernstein war ein sensibles Material, das schnell Feuer fing und bis auf eine klebrige grünschwarze Masse vollständig verbrannte, da es weitgehend aus Kiefernöl bestand. Thalberg wusste genau, dass die Sprengfallen zusammen mit den Brandbeschleunigern in kürzester Zeit ganze Arbeit leisten würden. Er hatte nicht ahnen können, dass ausgerechnet Inklusen vom Feuer verschont bleiben würden. Er sah lächelnd zu ihr herüber.
„Für das Bernsteinzimmer wurden nur die besten Materialien ausgewählt“, sagte Zoé freudestrahlend. „Das Feinste vom Feinen. Zarin Katharina hätte einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn sie auf einem der blank geputzten Bernsteinpaneele eine tote Fliege entdeckt hätte. Das Risiko, in den Kerker des Kremls geworfen zu werden, wollte mit Sicherheit keiner der Kunsthandwerker eingehen. Ich bin absolut sicher, dass dieses Teil nicht zum Bernsteinzimmer gehörte.“
„Wie der gesamte Bernstein, der unten in der Kammer verbrannt ist“, vervollständigte er den Gedanken. „Thalberg hatte in Kammer 984 zwar vierzig Kisten mit Bernstein
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