Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Spuren von Quetschungen und Schlägen unübersehbar. Aber oberhalb des Busens war die Haut vollkommen unverletzt.
Die Grausamkeit schockierte Zoé. Wie konnten Menschen nur zu so etwas fähig sein?
Mit leicht zittrigen Fingern drückte sie die Aufnahmen weg. Stattdessen erschien der Textteil des Gutachtens auf dem Screen.
„Die Täter sind gezielt vorgegangen. Anne wurde brutal verprügelt und mehrfach vergewaltigt.“ Sie stockte. „Die Aufzählung der Gegenstände, die hierbei benutzt worden sind, erspare ich uns.“ So fest sie konnte, biss sie die Zähne zusammen. Ihr Kiefer schmerzte, und doch gelang es ihr nur mit äußerster Anstrengung, die Tränen zurückzuhalten, als sie fortfuhr: „Anne hat sich nicht gewehrt. Sie muss in der Wohnung von den Tätern überrascht worden sein oder hat sie sogar freiwillig hereingelassen. Einen Kampf hat es nicht gegeben.“ Wieder schluckte sie mit zusammengepressten Lippen gegen die Tränen an.
Parker saß mit grimmiger Miene vor ihr, die Hände tief den Taschen des Bademantels vergraben. Nur sein finsterer, entschlossener Blick forderte sie unmissverständlich auf, weiterzureden.
„Eine Sache ist seltsam und wird im Bericht besonders hervorgehoben“, fuhr sie fort. „Annes Verletzungen waren nicht lebensgefährlich. Der Bericht schließt sogar mit der Vermutung, dass die Täter sehr genau darauf geachtet haben, sie nicht gravierend zu verletzen. Sie hat keine Knochenbrüche erlitten, und wichtige Organe sind von Schlägen verschont geblieben. Gestorben ist sie einzig und allein an den Drogen.“
Fragend schaute Parker sie an.
„Es handelt sich um Natrium-Thiopental und das aus Bernsteinsäure gewonnene GBH. Alles Barbiturate, die sofort wirken. Kombiniert man das mit Opiaten, wie beispielsweise Heroin, erhält man ein echtes Teufelszeug. Es wirkt zunächst euphorisierend, dann stark willensbeeinflussend. Am Ende ist das Opfer völlig willfährig“, erklärte sie ihm tonlos. Sie merkte, wie ihr das Wasser in die Augen schoss. „Vielleicht hat sie durch die vielen Drogen irgendwann nichts mehr von alledem mitbekommen.“
Sie schloss die Augen, aus denen nun Tränen über ihr Gesicht rollten. Kerzengerade saß sie auf der Armlehne des Sessels, mit feuchten Wangen und zitternden Lippen, die ihr nicht mehr gehorchten. Keiner sprach, und die Zeit verstrich, bis sie sich zusammenriss, ihre Finger um die Sessellehne krallte, auf der sie saß, und den Bericht fortsetzte. „Anne war aufgrund der Drogen nicht in der Lage, Gegenwehr zu leisten. Sie konnte nur darauf warten, dass ihr Herz und ihr Atem endgültig versagten und der Tod sie erlöste.“
Was für ein grausames Martyrium, dachte Parker entsetzt. Er vermochte sich die unermesslichen Leiden, die Anne erlitten hatte, nicht vorzustellen.
Eine wilde Wut, die sein Leben lang in seinem Innersten verborgen gelegen hatte, stieg in ihm auf. Wut auf die Männer, die Anne bestialisch umgebracht und ihm das Wichtigste in seinem Leben geraubt hatten. Wie eine heiße Welle breitete sich dieses bisher unbekannte Gefühl in seinem Körper aus und begrub alle anderen Gefühle unter sich – selbst die Trauer.
Die Erschöpfung, die er noch vor kurzer Zeit empfunden hatte, verschwand von einer Sekunde auf die andere. An ihre Stelle war der fest entschlossene Wille getreten, Annes Mörder zu finden.
Er schaute kurz zu Zoé herüber und streifte dabei ihren verheulten, aber selbstbewussten Blick. Mehr und mehr beschlich ihn das ungute Gefühl, dass die zierliche Frau Berlin besser schnellstmöglich verlassen sollte. Stattdessen saß sie vor ihm auf der Sessellehne und betrachtete ihn mit fragenden Augen. Er spürte, dass sie sich von seinen nächsten Worten viel versprach – aber er wusste nicht, wie er anfangen sollte.
„Mein Name ist übrigens Zoé Velázquez de Bezancourt“, kam sie ihm zuvor.
„Frau Velázquez de Bezancourt“, begann er und bereute die viel zu förmliche Anrede sogleich.
„Nennen Sie mich Zoé. Bitte.“
Er nickte. „Zoé, Sie hatten recht.“
„Die Staatsanwältin hat Ihnen nicht die Wahrheit gesagt“, bestätigte sie leise und strich sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht.
Er nickte. „Anne ist umgebracht worden.“
„Und die Mörder sind auch hinter Ihnen her.“
Unwillkürlich pfiff er durch die Zähne. Ihr Verdacht war nicht ganz abwegig, aber er konnte seine Zweifel nicht verbergen. „Wenn mich jemand hätte umbringen wollen, hätte er das heute problemlos erledigen
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