Der Kofferträger (German Edition)
denken, formulierte er weiter.
„Die Proben kommen aus dem Flavourn heraus. Dann läuft der Tabak aber noch durch einen Kühlraum. Wie es heißt, liegt in der Kühlmethode das Geheimnis unseres Erfolges.“
„Wie viele Leute arbeiten dort?“
„Wie viele?“, Henrik schaute verstört auf, weil er sich in seinen Gedanken unterbrochen fühlte.
„Einer, ein Einziger. Schikowski gehört zum Topmanagement. Er ist der stellvertretende chemische Leiter.“
Schütz rückte mit seinem Stuhl so plötzlich zur Seite, dass er sein Bierglas dabei umwarf. Es war glücklicherweise leer.
Henrik schaute ihn verblüfft an.
„Ich habe den Mann einmal kennengelernt. Er hat mich durch das Werk geführt.“
„Er ist eine der wichtigsten Figuren bei uns“, bestätigte Henrik. „Wenn wir Besuch aus der Zentrale bekommen, wird um ihn ein Buchhei gemacht, als wäre er der Kaiser von China.“
„Vielleicht ist er tatsächlich die zentrale Figur.“
„Alles schön und gut“, Henrik blickte betrübt in seine Glas. „Du glaubst doch nicht, dass wir in den sogenannten Kühlraum kommen?“
„Wir müssen alles versuchen.“ Jürgen Schütz hatte noch keine Idee, aber gemeinsam würde ihnen schon etwas einfallen. Da dachte Henrik wieder laut nach.
„Ich wüsste schon, wie. Ich habe ohnehin vor, Unterlagen zu organisieren, bevor ich gehe.“
„Dann ist es zu spät. Glaub mir, wenn man deine Absicht, die Firma zu verlassen, merkt, werfen sie dich noch am selben Tag raus. Dann kannst du keinen Papierfetzen mitnehmen.“
„Ich werde mir die Papiere sofort besorgen, schon in den nächsten Wochen. Ich muss das langsam vorbereiten, um nicht aufzufallen.“
„Warum nicht heute?“
„Wie heute? Wo soll ich die denn herhaben?“
„ Henrik höre gut zu“, Schütz setzte wieder einmal alles auf eine Karte. Er hatte nicht die Zeit, alle Sicherheitsmaßnahmen zu durchdenken. „Ich habe einen Weg ausfindig gemacht, wie ich diesen ganzen Schwindel auffliegen lassen kann. Ich brauche dazu deine Hilfe, jetzt.“
In dem folgenden Schweigen versuchte Henrik , alle Überraschungen zu verkraften.
„Das ist ganz schöner Tobak, den du mir zumutest. Wie soll das alles gehen?“
„Alleine schaffe ich das nicht, du musst schon mit überlegen.“
Die neuen Freunde hockten sich noch dichter nebeneinander. Mit leisem Gemurmel plauderten sie eine ganze Weile.
„Ich komme mir vor wie ein Partisan im Zweiten Weltkrieg, als meine Vorfahren gegen die Deutschen gekämpft haben.“
Dann lachten beide, das war nun doch ziemlich lange her. Henrik fuhr noch einmal nach Hause und kam nach wenigen Minuten fröhlich lachend zurück.
„Meine Frau hat komisch geguckt. Ich habe die Schlüssel von meinem Büro mitgebracht.“
In der dunklen Nacht fuhren die beiden über einen Umweg, der sie nicht nach Kaisermühl führte, zur Firma. Der Weg war lang genug. Sie plauderten ein wenig über Alltägliches.
„Sind eigentlich oft Besucher da?“
„Oft genug“, antwortete Henrik, „manchmal zu oft. Sie können einen schon mal bei der Arbeit stören. Ganz besonders, wenn es Offizielle sind.“
„Was sind das für Leute, Offizielle?“
„Na, aus der Politik und so.“
„Ach, ihr habt auch Politiker zu Besuch?“
„Ja, und die Frauen.“
„Welche Frauen?“
„Eben ihre Frauen. Die von den Politikern. Vor ein paar Wochen waren erst wieder ein paar da. Irgendwelche hohen Tiere schienen das zu sein. Die ganze Bude hatte strammzustehen.“
„Wer war das?“
„Wie soll ich mir all die Namen merken? Nur ganz Besondere merke ich mir.“
„Welche sind das?“
„Na, welche Frauen merkt sich schon ein Mann? Die hübschen, sexy Frauen, die jeden Mann schwachmachen.“
Die Scheinwerfer ihres Autos glitten flach über die Straße und scheuchten ein Reh auf. Henrik bremste plötzlich und der Ruck warf Schütz in den Sicherheitsgurt.
„Entschuldigung. Aber bei dem vielen Gequatsche.“
„Manche Dinge sind eben auch wichtig“, meinte Schütz.
„Gerade diese eine Frau, von der ich eben sprach.“ Henrik fühlte sich immer noch von ihr berührt.
„Wie sah die aus?“
„Groß, bald so groß wie du. Blond, aber ein schönes Blond. So Anfang dreißig. Mächtiger Busen. Aber nicht nur das. Sie trug ihn ganz sc hön zur Schau. Mein lieber Mann.“
„Was trug sie denn?“
„Eben ein Kleid, das oben ziemlich offen war. Für die arbeitende Bevölkerung einfach zu offen. Es war mit großen Blumen übersät. So, wie die in Hawaii tragen.
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