Der Kofferträger (German Edition)
mächtigen Gebäude er vorbei laufen musste. Die Berliner Vertretung der Bayerischen Landesregierung lag auch noch am Weg, auf der anderen Straßenseite ein großes Hotel und daneben die Komische Oper. Zu viel geschäftiges Treiben. Vor allen Dingen könnte hier eine Person aus dem Umkreis seines Kanzlers auftauchen, die ihn kannte. An der Ecke Behren- zur Glinkastraße lag das Gebäude, das er suchte. Geschickt hatten die Architekten vier Eingänge übers Eck vorgesehen. So war es schwierig einen Eingehenden bei seinem Ausgang wieder zu verfolgen. Das riesige Gebäude reichte an der Glinkaseite bis zur nächsten Kreuzung. Das Erdgeschoss und das erste Geschoss gehörten seit ein paar Jahren zu der ‚ Safebank ‘.
Von seiner Seite aus befand sich hier der erste Eingang. Er stellte sich dicht vor den Automaten, der seine Augen abtastete. Ein Schriftzug bestätigte „akzeptiert“ und gleichzeitig öffnete sich geräuschlos eine Schiebetür. Schütz verschwand dahinter und war von nun an nicht mehr von der Straße zu sehen. Die Fassade des Bauwerks sah aus wie vor einhundertfünfzig Jahren. Innen aber erweckte sie den Eindruck eines gläsernen und stählernen Irrgartens. Und doch zeigte sich eine erstaunlich klare Systematik. Das Innengebäude teilte sich schnell in eine Vielzahl von Kanälen auf. Er verschwand in das zweite Kellergeschoss. Vor dem folgenden Eingang musste er sich noch einmal dem Augentest unterziehen, dann wurde er von unsichtbarer Hand durch eine weitere Tür eingelassen. Endlose Gänge mit Tausenden kleinen Metallsärgen führten sternenförmig in sechs verschiedene Richtungen. Zum Schließfach Nummer 10022021 lief er den Weg in westliche Richtung, überall von Videokameras beschnüffelt. Bei einem Überfall, Erpressung oder selbst bei Mord würden sich sämtliche Tore automatisch schließen und alle Personen festsetzen.
Schütz erreichte sein Schließfach. Die Nummer galt nur der Wi ederfindung. Er berührte ein kleines Fenster mit seinem Zeigefinger. Nach dem Hinweis „bestätigt“ öffnete sich das Schließfach von selbst.
Er entnahm dem Aktenkoffer das kleine Paket mit den kopierten Dokumenten und legte es in das Fach. Der letzte Koffer mit den fünf Millionen DM befand sich auch noch dort, um ihn bei Anfrage an H. B. übergeben zu können. Bisher hatte ihn aber noch niemand nach dem Koffer gefragt. Es war seiner Meinung nach wohl zu viel des Baren in Umlauf. Er schloss den Safe wieder. Ein kleines Display informierte ihn:
„Der Safe wird sich innerhalb einer Stunde nicht mehr öffnen lassen.“
Diesen Vorgang hatte er bei der Bestellung des Safes vor längerer Zeit selbst auf diese Dauer festgelegt. Er fand es auch jetzt noch in Ordnung.
Er lief zum „Stern“ zurück, musste sich hier beim Ausgang erneut dem Augentest unterwerfen und fuhr dann in das Erdgeschoss hoch. Auf den verschiedensten Monitoren, die alle Ausgänge rund um die „Safebank“ überwachten, konnte er sehen, dass sich in den nächsten zwei Minuten niemand nähern würde. Er lief die Glinkastraße bis „Unter den Linden“ hoch, vorbei am Brandenburger Tor, dem Reichstag bis zur Paul Lübe Allee und kehrte bald in der Urquellklause ein. Sein Ziel war es, sich einfach zu zeigen, um einen normalen Zustand zu signalisieren. Die notwendigen Dinge waren in Gang gesetzt. Angela blühte geschäftig wie immer. Sie hielt sich kaum in seiner Nähe auf. Wahrscheinlich wollte sie niemandem von ihrem gemeinsamen Glück wissen lassen. Nach einer Weile verließ er die Klause und lief zum Kanzleramt. Er wechselte ein paar freundliche Worte mit Jupp, dem Nachtwächter und ging noch für eine Weile in sein Büro.
Die erste Überraschung erwartete ihn auf seinem Schreibtisch. Eine Hausmitteilung verkündete, so bedauerlich es auch sei, Herr Klingenberg und Frau Jenisch seien durch Selbsttötung ums Leben gekommen. Nach dem üblichen Trauergesäusel verkündete die Verwaltung des Kanzleramtes mit stolz geschwellter Brust, sie übernähme ausnahmsweise alle Kosten, die mit dem Tod der beiden treuen Mitarbeiter in Zusammenhang stünden. Die Überraschung war perfekt und d ennoch hatte Schütz mit nichts anderem gerechnet. Für ihn war es endgültig die Bestätigung, nicht mehr in der Bonzenmeile arbeiten zu wollen. Schließlich hatte er keine Lust, das Trauerschreiben der Amtsverwaltung über seinen Freitod zu lesen. Es erschien ihm unwahrscheinlich, dass all seine forschenden Aktivitäten unbemerkt geblieben waren. Gab es nicht
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