Der Kofferträger (German Edition)
konnte, drängte sich ein anderer Besucher in die geöffnete Tür und Schütz schlüpfte hinter ihm in das Gebäude. Der unbeobachtete Zugang verschaffte ihm die Möglichkeit, sich zunächst einmal in aller Ruhe umzuschauen. Erhabenheit atmete die Eingangshalle, an die sich ein gewaltiges Treppenhaus anschloss. Die Reihe der Firmenschilder an einer Wand wies auf die Stockwerke des Firmensitzes hin. Einige von ihnen waren im ersten Stock untergebracht. So ging er langsam zu Fuß die wenigen Stufen hoch.
H atte der letzte Besucher vergessen, sie zu schließen? Auf jeden Fall war die Eingangstür zu den Büroräumen nur leicht angelehnt. Von innen drang eine warme Stimme an sein Ohr. Die Worte waren nicht an ihn gerichtet. Die Dame telefonierte. Eine ganze Weile hörte Schütz nur ein übliches Geschäftsgespräch, nichts Besonderes. Plötzlich wurde er hellhörig. Es gab Informationen, mit denen er etwas anfangen konnte.
Madame beklagte sich: “Aber da fehlen doch noch fünfzehn Millionen aus Neapel, die über Berlin hierher kommen sollten. Ich werde bereits angemahnt, wo die Anlagebestätigung bleibt ...“
Schütz hörte die Haustür zuschlagen. Länger dürfte er sich diesen interessanten Neuigkeiten nicht widmen, zumal jemand die Treppe hoch stapfte. Vernehmlich klopfte der Mann aus Berlin an der Tür und von drinnen rief die Stimme „Kommen Sie herein“. Er betrat wie ein nichts Ahnender das Büro und drückte die Tür wieder zu. Unmittelbar hinter ihm schloss jemand die Tür erneut auf, betrat das Büro und eilte direkt auf eine andere Türe zu. Die Sekretärin an der Telefoneinheit begrüßte den zweiten Ankömmling mit einem freundlichen „Guten Tag Herr Müller-Armack“. Unterkühlt widmete sie sich anschließend ihrem neuen Besucher. Auf dem Tresen stand ihr Name in großen Lettern. „Frau Cresson“, las Schütz. Hinter dem Tresen stieg eine Wolke teuren Parfüms auf. Der Gang zum Chefbüro wurde von einem frischen Rasierwasser markiert.
Er stellte sich mit seinem Namen und seiner Tätigkeit vor und überreichte ihr seine Visitenkarte: Jürgen Schütz, Generalbevollmächtigter der PCD in Berlin. Mit Spannung erwartete er die Reaktion. Frau Cresson bat ihn, doch an dem kleinen Tischchen an der Sitzgruppe Platz zu nehmen, sie würde sich sofort um ihn kümmern. Keine Erregung, keine besondere Aufmerksamkeit zeichnete sich in ihren Zügen ab.
Jürgen Schütz nutzte die Gelegenheit, sich umzuschauen. Das also war das Allerheiligste, in dem aus Sucht Millionen nutzbare Scheine gemacht wurden.
Und er betrachtete das Ehrfurcht gebietende Büro, dessen Hauptmerkmal sicher die mächtige Telefonanlage und viele Hebelchen und Leuchtdioden darstellten. Unter jeder Diode, das hatte er beim Nähertreten erkennen können, war ausreichend Platz für einige Bemerkungen. Später wollte er einen Blick darauf werfen. An dieser blinkenden und blitzenden Anlage betätigte sich dieses Weib, wie er es zuvor noch niemals zu Gesicht bekommen hatte. Sie hätte aus einem Katalog stammen können, einem Katalog für Hexenzubehör. Sie trug ihren Busen beinahe vollständig sichtbar. Die Brüste schauten unter der seidenen Bluse neben ihrem Bauchnabel liegend hervor. Er beobachtete die ausgemergelte Frau, die sich immer wieder nach ihm umschaute, während sie auf ihrem Computer herumhämmerte. Es war nicht klar zu erkennen, ob sie ein Mensch war oder ein Androide, ein menschenähnliches aber künstliches Wesen.
„Gestatten Sie, dass ich eben meine Arbeit fertigmache. Dann können wir uns in Ruhe unterhalten.“ Damit forderte sie ihn auf, sich zu setzen.
Ein eigenartiges Gefühl überfiel ihn. Frau Cresson sah nicht so aus, als wenn Sie sich ihm in Ruhe widmen würde. Immer wieder schaute sie sich abschätzend nach ihm um. Ihr Chef, Herr Müller-Armack bat sie über die Sprechanlage für einen kurzen Moment zu sich. Die Sekretärin hob bedauernd ihre Schultern und flüsterte Schütz zu: „Ich bin gleich wieder bei Ihnen.“ Sprach’s und war verschwunden.
Schütz erhob sich ebenfalls und wanderte ruhelos zwischen der Sitzgruppe und dem Tresen hin und her. Ob seine Aktion hier noch zu verantworten war, könnte er erst später sagen. Die Suppe, die er da kochte, begann langsam überzuschäumen. Es wurde ungemütlich.
Die letzten Tage in Berlin hatten ihm genügend Aufregung gebracht. Es war eine Bestätigung seiner Vermutungen, teilweise. Klingenberg war auf grausame Weise umgebracht worden. Seiner Ehrlichkeit und seinen
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