Der Kofferträger (German Edition)
höllische Körper- und Seelenqualen.
Nach einer Weile brachte er mühsam ein paar Worte hervor. „Corinna, mein Gott, was haben sie dir angetan? Alles, was ich geleistet habe, verschwindet hinter deinem grenzenlosen Mut. Ich schäme mich für die Angst, die du wegen mir ausstehen musstest“, flüsterte er und fügte an: „Mit Angst kann man nahezu alles von einem Menschen erpressen.“
Corinna versuchte , die Sache schnell hinter sich zu bringen.
„Der Unmensch lief mit dem unterschriebenen Papier aus der Wohnung, ließ mich gefesselt und blutend auf dem Boden liegen. Niemand hörte mein Schreien. Die Nacht lag ich auf dem Teppichboden. Ich fror entsetzlich und meine Wunden schmerzten.“
Schütz hatte die Hände über seinem Gesicht zusammengeschlagen. Die Unglaublichkeit des Geschehens ließ ihn erschauern. „Mein Gott, ich hätte diesen Kerl umgebracht. Aber ich ahnte nichts davon.“
„Wie solltest du auch? In der Nacht kehrten sie wieder. Diesmal zu zweit. Sie versorgten notdürftig meine Wunden, knebelten mich und brachten mich fort. Irgendwo in einem Kellerloch hielten sie mich gefangen. Ich weiß nicht, wie lange es war. Tage Wochen, oder Monate. Ich weiß es wirklich nicht. Weniger meine Schmerzen, weniger die Schnitte auf dem Rücken und auf der Brust quälten mich. Der Verrat an dir ließ mich verzweifeln.“
Eine lange Pause war entstanden. Er streichelte zart ihre Schultern.
„Dann plötzlich ließen sie mich frei. Irgendwo in Mailand. Ich fuhr sofort zu Carla, mit dem Taxi.“ Carla erzählte mir, der Tag meiner Freilassung lag genau auf dem Tag, als in den Medien von deinem Tod berichtet wurde. Sie fühlten sich von dem Moment an sicher. Ich bin so überaus glücklich, dass du hier bist“, fügte sie hinzu.
Entsetzt hatte er ihrem Bericht gelauscht, unfähig auch nur eine weitere Bemerkung zu machen. Tröstend hielt er seine Hand auf ihrer Schulter, zog sie erschreckt wieder zurück.
„Nein“, flüsterte Corinna, „es tut nicht mehr weh.“
Dann ruhte ihr Kopf an seiner Brust. Sie wagte nicht, aufzuschauen. Er legte vorsichtig seine Arme um sie und streichelte ihr Gesicht. Sie weinte still und erlöst, bis sie die Geschichte zu Ende gebracht hatte.
„Wirst du jetzt aufgeben? “, fragte sie und schaute ihn hoffnungsfroh an.
„Nein, niemals. Jetzt erst recht nicht. Nicht Rache, aber Gerechtigkeit fordere ich“, rief er beinahe zu laut und es klang sehr dramatisch. Sie legte ihm ihre Finger auf den Mund.
„Ich werde auch nicht aufgeben, Jürgen. Dann hat sich mein Einsatz gelohnt.“
„Denke daran, wie du das überstanden hast, und wie ich das überstanden habe. Sind das nicht eindeutige Signale, dass wir gewinnen werden?“
„Wir werden“, sagte sie leise aber mit fester Überzeugung.
Ihre vernarbten Foltermerkmale leuchteten wie Siegessymbole.
Am nächsten Morgen war Olga fort. Beim Frühstück lasen sie den Brief, den sie hinterlassen hatte.
Liebe Corinna, lieber Jürgen,
„Ich bin froh , dass ich Ihnen helfen konnte. Damit habe ich ein wenig das gut gemacht, was ich angestellt habe. Trotzdem möchte ich mich bei Ihnen und vor allem bei Frau Corinna entschuldigen. Ich fahre nach Berlin zurück. Ich werde das restliche Geld abholen, das mir versprochen worden war und wieder meiner Arbeit nachgehen. Vielleicht werde ich mit meinem Freund ein neues Leben planen. Ich freue mich darauf, wenn wir uns einmal wieder sehen sollten.
Jetzt aber fühle ich, dass Sie lieber alleine sein sollten. Sie haben sicher sehr viel aufzuarbeiten. Für ihre Zukunft wünsche ich Ihnen viel Liebe.
Seien Sie ganz sicher, dass ich nichts irgendjemandem über Ihre Rettung erzählen werde, die Vorfälle hatten ja wohl zum Ziel, sie beide umzubringen. Das sollen Ihre ‚Mörder‘ so lange glauben, wie Sie es für notwendig erachten. Wenn Sie wollen, können Sie es selbst berichten. Meinen Auftraggebern werde ich nichts davon erzählen, dass ich Sie aus dem Wasser gefischt habe. Folglich werden sie glauben, Sie seien tot. Ich sehe Sie allerdings sehr lebendig vor mir.
Ihre Olga
*
Allmählich kehrte Ruhe am Golf von Tarent ein. Nur die Renovierungsarbeit mit den Handwerkern unterbrach die Einsamkeit. Eine gespenstische Stille bemächtigte sich ihrer an manchen noch so sonnigen Tagen. Das Entsetzen über die beinahe Katastrophe hatte Corinna verändert. Wie einen Schock trug sie die Erlebnisse mit sich. Bald jeden Tag tauschten sie ihre schrecklichen Geschehnisse aus,
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