Der Kofferträger (German Edition)
sie den Holzsteg verließ und über die Stufen den Waldweg hoch stapfte.
Hatte sie mit dem letzten Satz die in Plastiksäcken versteckte Leiche gemeint? Ein hässliches Geräusch ließ ihm die Haare zu Berge stehen. Was machte dieser Kerl? Ein Gluckern zeigte an, dass er irgendetwas direkt in den Niedergang des Schiffes schüttete. Es stank bestialisch nach Benzin. Der Feuerleger lief über das Deck und vergoss überall Benzin aus einem großen Kanister. Jürgen hatte sich auf den schmalen Steg gepresst. Seine Finger krallten sich in die Lücken zwischen den Brettern.
Als der Brandstifter den Bug erreichte, entdeckte er fassungslos den Eindringling. Geschockt fiel ihm der Kanister aus den Händen. Ein Teil des Benzins lief ihm selbst über Füße und Hose. Schütz bekam einige Spitzer ab, bevor er abtauchen konnte.
Die Pflicht zur Auftragserfüllung ließ Armin noch ein Streichholz in die Benzindämpfe werfen. Gleichzeitig sprang er über den Bug in das Wasser. Die verpuffenden Gase fingen noch während seines Sturzfluges an seinem Körper Feuer, löschten sich gleich wieder mit dem Eintauchen in den See. Das alles ging so schnell, dass er im Wasser Schütz auf die Schulter gesprungen war. Über ihnen hatte sich das Feuer mit einer gewaltigen Verpuffung entzündet. Die Flammen rasten über den Holzschuppen und die Kunststoffyacht. Vom Lande wehte ein Nachtwind, der das Feuer vom Ufer fernhielt und auf den See trieb.
Unter den brennenden Bohlen fand ein Kampf auf Leben und Tod statt. Die Flammen über ihnen setzten ihre mörderische Unterwasserschlacht in ein gespenstisches Licht. Sein Feind hatte zu viele Benzindämpfe eingeatmet. Mit dem Wasser, das er jetzt auch noch schlucken musste, blieb ihm die Luft vollends weg. Jürgen war beim ersten Sprung auf den schlammigen Boden bis zum Grund gestoßen. Beim Aufprall von Anitas Freund auf seiner Schulter stieß der ihn erneut auf den nicht sehr tiefen Grund. Jürgen konnte sich abfedern und schleuderte den Kerl durch die Oberfläche in die explodierenden Flammen. Er hörte selbst unter Wasser den gewaltigen Aufschrei des brennenden Kopfes über sich. Kampfunfähig sackte der Liebhaber seiner Exfrau in das Wasser zurück. Nur drei Meter vom Ufer entfernt. Schütz schleppte ihn an Land und legte ihn in den Waldabhang. Wasches Gesicht war vom Feuer entstellt.
Schütz hob die Leine über den Poller und ruderte zwischen Flammen und Ufer aus dem Gefahrenbereich. Ein gewaltiger Feuersturm brauste bei ablandigem Wind in Richtung See.
Hinter den lodernden Flammen entdeckte er im Wald eine hell erleuchtete Frauengestalt. Sie hatte die Arme hochgerissen, ihr Mund stand offen, ihr Gesicht zeigte die Fratze einer Hexe, als erfreute sie sich an dem grässlichen Schauspiel. Durch den kochenden Feuersturm hindurch verstand Schütz kein Wort ihres unsäglichen Fluches, meinte aber von ihren verzerrten Lippen den Entsetzensschrei ‚Armin‘ abzulesen.
Er musste sich schnell aus dem heißen Rauch entfernen. Immer neue, kleine Benzinpfützen im Innenraum des Schiffes explodierten, schleuderten Kunststoffteile, brennende Bretter und Ordner auf das Wasser. Eine riesige Qualmwolke stieg hoch und wurde von dem Wind zurück auf das Wasser gedrückt.
Nach Kladow zu rudern schien ihm nicht möglich. Auf dieser Seite war es durch das Flammenmeer zu hell.
Unter dem Schutz der dunklen Schatten schlich er sich mit seichten Schlägen seiner Ruder direkt unterhalb des Abhanges entlang nach Westen. Er rundete die Huk Appeldorn und paddelte zum Krughorn rüber. Mittlerweile war das Rudern in dieser finsteren Nacht nicht mehr so ungewöhnlich. Boote jagten kreuz und quer, ein wildes Rufen und laute Kommandos hallten unter der Begleitmusik von Sirenen über den See. In dem Trubel war es ein Leichtes, sich davon zu stehlen. Kurz vor der Halbinsel, die er ansteuerte, begegnete ihm ein Rettungsschiff.
„Was ist los ?“, riefen die Männer.
„Dort hinten schnell, fahren sie dort hin. Da liegt ein Mann am Waldrand.“ Allerdings wusste Schütz, für Anitas Weltraumliebhaber käme jegliche Hilfe zu spät.
Irgendwo am Ufer, unweit einer Straßenanfahrt legte Schütz sein Schiff an und band die Leine an einen Baum. Jetzt war er weit von seinem Auto entfernt. Mit dem Boot wäre es ein Einfaches, dorthin zu gelangen. Das konnte er nicht riskieren.
Aus dem Plastiksack nahm er trockene Kleidung. Er lief eine Straße entlang, die sich ‚Kladower Straße‘ nannte. Der Dampf seines Körpers vertrieb die
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