Der Kofferträger (German Edition)
Anspruch nehmen, von Ihrem Konto auf das Konto des Dienstleisters in Vaduz begleichen.“
„Eine phantastische Sache. Das lobe ich mir.“
Eine gelungene Präsentation, überlegte Schütz, vermied aber jeden lauten Hinweis.
Er erhielt nur eine Visitenkarte mit auf den Weg. Das persönliche Gespräch allein informierte. Er musste einfach wissen, wie die Vaduzer Finanzjongleure arbeiteten, um Steuern und Rechenschaftsberichte der Deutschen und anderer zu umgehen. Ein ausgeklügeltes System mit Schweigepflicht mafiosen Charakters.
„Die omertà des Paten lässt grüßen“, brummelte es unentwegt in seinem Kopf.
Diesmal sicherte er und überprüfte das Türschloss, bevor er den Koffer im Nebenraum öffnete. Dann überprüfte er noch mal die Anzahl der Bündel. Fünf Millionen in neuen Zweitausender Scheinen.
In der Nacht wälzte er sich wie ein wildes Tier im Bett. Ein grippaler Effekt überfiel ihn, später nahm ihn eine vollständige Erkältung in den Griff, mit Kopfschmerzen und Magenschmerzen, Schwäche in allen Gliedern. Mehrfach hielt er seinen Kopf in das Klobecken. Angst hatte ihn überfallen, eine schleichende Angst um sein Leben, seine Tage mit Anita, sein eigenes Dasein. Diese jämmerliche Panik schnürte ihm die Brust zu, kroch ihm über den Rücken in den Nacken, ließ seine Haare zu Berge stehen.
Das viele Wissen würde ihn umbringen. Er war schon jetzt eine Verpflichtung eingegangen, dem Clan zu demonstrieren, dass er ein Teil dieser Loge von Geld und Macht, von Einfluss und Herrschaft war.
Am nächsten Morgen erschrak er beim ersten Blick in den Spiegel vor dem leichenhaften Aussehen der kranken Gestalt. Dann fuhr er mit dem Aufzug zum Frühstück. Er fühlte sich wie ausgekotzt. Die Verschwiegenheit der Hotelkräfte, die über seinen Zustand kein Wort verloren, gehörte auch zu einem System, über das man nicht sprach, sondern beredt schwieg.
Ein morgendlicher Spaziergang durch die lebendige, vom Frühling geprägte Stadt Vaduz könnte ihm den Trübsinn aus dem Kopf blasen. Er machte sich auf den Weg. Die Maisonne wärmte seine müden Knochen. In den Banken straßen pulsierte neben dem Treffen der Finanzjongleure ebenso das tägliche Leben mit Gemüse und Obst. Socken wurden verkauft wie Töpfe und Pfannen. Jürgen Schütz flanierte, bewegte sich unbedarft zwischen den Menschen hindurch. Er suchte seine Entspannung, indem er sich bemühte, das täglich Normale zu tun, das Außergewöhnliche beiseitezuschieben. Zum wievielten Mal stieß er unwillig seine Schachtel Zigaretten wieder in die Jackentasche zurück, ohne sie zu öffnen. Er musste von dieser Sucht loskommen, ohne einer neuen Droge zum Wohle eines Chemiegiganten zu verfallen.
In seinen Vorstellungen lebte er zwangsweise mit dem Dunst einer Zigarette, als er durch den imaginären Rauch hindurch die Gestalt seiner Frau Anita entdeckte. Schütz riss die Augen auf. Sie schritt geradewegs, Kleopatra gleich, aus einer Bank, die breiten Treppenstufen hinab hinein in den Menschentrubel. Anita, was machte sie hier? Die Frage ohne Antwort hielt ihn länger auf, als er wollte. Dann schob er sich durch die Masse Mensch zu der Treppe hin. Doch die Menge blockierte ihn. Er kämpfte sich hindurch, st ieß Männer und Frauen zur Seite, wurde von einigen aufgehalten, die ihn ob seiner Rüpelei beschimpften. Er stürmte weiter. Die fünfzehn, zwanzig Meter schaffte er nicht in so kurzer Zeit. Als er nach einem Gerangel mit einem anderen Passanten wieder aufschaute, hatte sie die Treppe längst verlassen. Schütz rief, schrie ihr nach. Noch sah er ihren Hinterkopf in der Menge, irgendwo dort vorne. Andere Köpfe raubten ihm die Sicht. Litt er unter Halluzinationen? Begann er zu träumen, spielten seine krankhaften Vorstellungen in sein tägliches Leben hinein? Die Verwirrungen in seinem brummenden Schädel nahmen zu. Die Welt wurde unwirklich. Er hörte den Widerhall eines fernen Universums, seine Sinne spielten ihm wilde Streiche. Bald entdeckte er Anita rechts und links beinahe gleichzeitig. Doch in beiden Fällen war sie es nicht. Die Sicherheit aber, seine Frau zuvor erkannt zu haben, wich nicht von ihm. Einem Verirrten gleich, suchte er zwischen den vielen Menschen. Die Straße teilte sich auf, wohin sollte er laufen? War sie auf der Suche nach ihm gewesen? Dann war es tragisch, wenn sie sich nicht gefunden hatten. Wollte sie ihn nicht finden? Welche Transaktionen hatte sie vorgenommen?
In der ‘Vaduz-Zürcher Treuhandbank‘ oberhalb der
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