Der Kofferträger (German Edition)
wohlüberlegte Hinweise sein. Wollte sein Chef ihn mahnen? ‚Gib Acht Jürgen auf dich!‘
“Lass uns aufhören zu schwätzen. Gehe mit mir ein schönes Pils trinken.“
H. B. hatte vorgesorgt. In der Urquellklause standen seine Bodyguards bereit, schützten ihn beim Genuss eines einfachen Bieres. Obwohl das Stehen dem Alten schwerfiel, kannten sie keinen anderen Platz als die Theke. Zu schön war auch für ihn der freundliche Blick der jugendlichen Angela. Sie begrüßte ihn liebevoll als vertrauten Gast. Keine besonderen Anzeichen von Ehrerbietung.
„Heute habe ich einfach einen guten Tag, mein Junge, darf ich dir ein Bier spendieren?“
„Was ist das Schöne an diesem Tag?“
„Ach, einfach so. Du kennst das bestimmt auch. Manchmal hat man etwas herausgefunden, das einem einfach weiterhilft, selbst, wenn das Gefundene nicht gerade das ist, was man erwartet hat. So erging es mir heute. Aber es ist für uns jetzt belanglos. Für mich ist es einfach schön, dich in vertrauter Runde zu sehen. Manchmal habe ich schon das Gefühl, du kennst überhaupt niemanden mehr.“
„Nein, nein, es geht schon, es ist alles in Ordnung“, mehr wusste Schütz im Moment nicht zu sagen. Zu plötzlich war der Überfall gewesen, zu deutlich empfand er die weisenden Worte. War die Einladung zum Bier so etwas wie die Vorstufe zu einer Henkersmalzeit? Was hatte sein Boss herausgefunden?
Schon setzte sein Onkel seine Jugenderinnerungen fort. „Wir waren beim Kanufahren. Ich kann diesen Sport jedem jungen Menschen empfehlen. Er stählt die Muskeln, durchpustet die Lungen mit frischem Sauerstoff für kluge Gedanken und lehrt einen die Gemeinschaft achten. Meist bin ich im Zweier gefahren. Ich werde eine Situation niemals vergessen.“
Er machte eine kurze Pause, um Atem zu schöpfen.
„Komm wir wollen unser Bier nicht warm werden lassen“, mit diesen Worten stieß er mit seinem Neffen an. Mit einem lauten „Ahh“ wischte er sich den festen Schaum des Urquells aus dem Gesicht.
„Wir hatten einen Arnfried in unserer Gruppe. Ein ekelhafter Typ, mit dem ich nie warm werden konnte. Wo es nur ging, stritten wir uns. Wegen eines kranken Scouts setzte uns unser Trainer eines Tages in dasselbe Boot. Oh Gott, war ich wütend geworden. Ich hasste diesen Kerl. Das konnte doch niemals gut gehen. Der eine würde vorwärts der andere rückwärts rudern.
Glaub mir eines. Noch niemals hatte ich bis dahin einen so schwierigen Kurs im Zweier abgefahren. Die schlechtesten Voraussetzungen. Aber, was geschah? Nichts von dem, was wir erwartet hatten. Dagegen alles, was vernünftig war. Mit Längen haben wir das Rennen gewonnen. Ich sage dir mit Längen. Wie konnte das geschehen? Es war verdammt einfach. Wir waren Widersacher. Die Schlimmsten, die du dir denken kannst. Sobald wir aber im Boot saßen, zeigte es sich, dass wir das gleiche Ziel hatten. Wir wollten ohne Rolle, ohne irgendwo hängen zu bleiben, als Erste die Ziellinie überfahren. Wir warfen unser beider Kräfte, unsere Intelligenz, unsere Taktik zusammen. Wir stachen gleichermaßen ins Wasser, und wenn es notwendig war, ruderte der eine links und der andere bremste auf der anderen Seite. Das Ziel, das wir beide hatten, hat uns und unsere Fähigkeiten vereinigt. Niemals werde ich diesen unerwarteten Siegesrausch vergessen, es ist wie ein neuer Schöpfungsakt.“
Nach einem zweiten Bier verschwand sein Onkel so aufwändig, wie er erschienen war, im Schlepptau seine beiden Bodyguards.
Was wusste der Alte, fragte sich Schütz, was würde ihn, Jürgen, in den kommenden Tagen erwarten? War er für die Finesse eines Kanzlers zu harmlos gestrickt?
14 Geheimnisse der Macht
Zuvor müsste er noch das Geheimnis entdecken.
Er fieberte dem Tag entgegen, an dem er den Schlüssel aus Brutus Händen in das dazugehörige Schloss stecken könnte. Für sein Vorgehen machte er immer wieder neue Pläne, wie er am besten unbeobachtet bleiben könnte und welches der Tag sein würde, der sich am ehesten eignete. Sein Handy brachte ihm öfter als je zuvor die Wetterfronten auf das kleine Display. Wann also war die beste Zeit? Er entschied sich für Donnerstag, den 21.5.
Neben den zahlreichen Touristen fiel er in dem Menschenstrom, der bereits am Vormittag auf die Auffahrt unter die gläserne Kuppel des Reichstages wartete, nicht auf. Dort gab es eine stets länger werdende Touristenschlange über die langsam ansteigende Anfahrtsrampe. Von dort sonderte er sich ab. Mit sicherem Schritt
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