Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
dass wir es mit einem Killer zu tun haben.«
Rodale nickte. »Und was nun?«
»Ich denke, wir werden uns auf Grabowski konzentrieren müssen. Bis jetzt haben wir beim Sieben der Erde nichts gefunden. Wenn wir nicht wissen, wann sie gestorben ist, können wir nicht viel erwarten. Ich werde die Hafenpatrouille von Vancouver veranlassen, dass die ihre alten Aufzeichnungen überprüfen, damit wir wissen, ob man im Wasser etwas bemerkt hat. Und ich habe einen Hubschrauber bestellt, der den Hang mit Infrarotgeräten untersuchen soll. Das Einzige, was wir bis jetzt haben, ist die Herkunft des Zelts. Es stammt aus der Schweiz, aus Zürich – wir lassen sämtliche Händler überprüfen. Und Interpol ist eingeschaltet.«
»Du glaubst, sie ist eine Ausländerin, die dort im Wald gezeltet hat?«
»Vielleicht«, nickte MacDougall. »Und wie sieht’s bei dir aus?«
»Soweit wir feststellen können, war diese Grabowski dort nur drei oder vier Tage. New Orleans hat uns Bilder geschickt und die ermitteln dort auch. Wir wissen nicht, was sie hier gemacht hat, und die wissen es auch nicht. Wir sind auf der Suche nach ihrem Zuhälter. Im Augenblick tippen wir auf einen Freier, der Nutten umbringt. So einer hat letzte Woche ein Mädchen kaltgemacht. Wir halten auf der Straße die Ohren offen.«
»Ist das alles?«, fragte MacDougall. Es war wirklich nicht viel.
»Leider ja«, erwiderte Rodale mit einem Achselzucken. »Ein Haufen unidentifizierte Knochen und eine amerikanische Nutte auf der Durchreise – das ist wirklich nicht viel.«
Dem konnte MacDougall nur zustimmen.
Donnerstag, 28. Oktober, 05:15 Uhr
Was für ein Tag!, dachte sie. Ist es nicht erstaunlich, dass irgendjemand von uns überlebt?
Der Mann mit dem roten Haar und den Sommersprossen hatte seine Frau um 07:05 Uhr am Morgen ins St. Pauls Hospital gebracht. Die Fruchtblase der Frau war 40 Minuten vorher geplatzt. Der Mann war beunruhigt, denn es war ihr erstes Kind. Eine der Schwestern hatte ihn beiseite genommen und versucht, ihn zu beschwichtigen.
»Ich möchte, dass das natürlich abläuft«, hatte der Mann gesagt und nach einer Mentholzigarette gegriffen und in der Tasche nach Streichhölzern gesucht. »Ich will keine Medikamente. Und keine Zange. Und kein Trauma. Verstehen Sie? Wer ist ihre Geburtshelferin und wo ist sie ausgebildet worden?«
Die Schwester hatte ihn ruhig aufgefordert, im Aufnahmebereich nicht zu rauchen.
Der Mann hatte die Zigarette abgeknickt und sie in eine Abfalltonne geworfen und dann zugesehen, wie seine aufgedunsene Frau im Watschelgang in einem Lift verschwand.
»Ich vertraue nicht auf Krankenhäuser«, sagte er. »Ich möchte, dass das von Anfang an klar ist. War das nicht hier, wo man diesen Schwamm in einem Patienten vergessen hat?« Er hatte erneut sein Päckchen Cools rausgezogen und eine Zigarette herausgeschüttelt.
Die Schwester hatte ihn ruhig gebeten, im Aufnahmebereich nicht zu rauchen.
Die Komplikationen hatten um 17:21 Uhr begonnen, kurz nach dem Beginn von Joanna Portmans Schicht.
Die nächsten fünf Stunden waren für Joanna anstrengend gewesen. Sie arbeitete gern als Schwester auf der Entbindungsstation. Ein Krankenhaus war per Definition ein Ort der Krankheit und des Todes, aber sie befand sich hier am Ursprungsort des Lebens. Das Gefühl ihrer eigenen Wiedergeburt, das sie bei jeder Entbindung empfand, gab ihr Auftrieb. Und außerdem mochte sie die Mütter. Sie waren alle irgendwie von ihr abhängig, brauchten sie, damit sie sie durch diese Phase begleitete, und das verschaffte ihr das Gefühl, gebraucht zu werden.
Mrs. Walker freilich war eine schwierige Patientin gewesen.
Stundenlang hatten die Wehen diese arme Frau gequält, jede neue hatte sie mit entsetzten Augen erwartet. Joanna hatte sie in den Armen gehalten. Sie hatte sie mit leisem Zuspruch beruhigt und gegen Ende hatte sie sogar aus der Bibel zitiert. Es überraschte sie immer wieder aufs Neue, wie sehr es selbst bei Agnostikern und Atheisten half.
In jener Nacht hatte Joannas Schicht um Mitternacht geendet. Aber das Walker-Baby hatte sich bis 04:19 Uhr Zeit gelassen. Und so war Joanna wie üblich dageblieben und hatte der Geburt bis zum Ende beigewohnt: Wenn eine Mutter einmal angefangen hatte, sich auf sie zu verlassen, konnte sie sie, wenn es ernst wurde, nicht im Stich lassen.
Nie weglaufen, sagte sie sich, bis die Bombe gefallen ist. Was für ein Tag! Ist es nicht erstaunlich, dass irgendjemand von uns überlebt?
Jetzt war es 05:15 Uhr am
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