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Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller

Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller

Titel: Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Slade
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verliehen worden war.
    Am Tag darauf lief Awakomowitsch nach West-Berlin über.
    Nach seiner Flucht in den Westen im Jahre 1963 war Awakomowitsch in London von britischen und amerikanischen Geheimdiensteinheiten verhört worden und man hatte ihm anschließend einen nennenswerten Betrag als »Umsiedlungshilfe« angeboten. Er hatte sich dafür entschieden, in die Prärieprovinzen Kanadas zu ziehen. Wie es hieß, hatte er dafür folgende Begründung angegeben: »Ich sehne mich danach, in die Ukraine, in die Jahre meiner frühen Kindheit zurückzukehren. Das ist mir nicht möglich, aber dieses Land entspricht meinen Vorstellungen. Dieses Land ist wie Russland – nur ohne Russen.«
    Zwei Tage, nachdem Awakomowitsch in Calgary, Alberta, den Fuß auf kanadischen Boden gesetzt hatte, hatte die RCMP – stets pragmatisch, wenn es um Spitzenpersonal ging, und gut über Awakomowitschs forensische Leistungen informiert – dem russischen Emigranten eine Laborstelle angeboten, die nicht den Sicherheitsvorschriften unterlag. Seitdem war Joseph Awakomowitsch im Dienste Ihrer Majestät tätig. Fünf Jahre später erteilte man ihm die Sicherheitsfreigabe.
    DeClercq und Awakomowitsch hatten das erste Mal 1965 in Montreal zusammengearbeitet. Eines Abends in jenem November hatte Robert DeClercq – sein Baby Jane auf dem Schoß – Joseph Awakomowitsch nach den Gründen für seine Flucht in den Westen gefragt. »Falls es Ihnen nichts ausmacht, mir das zu sagen«, hatte er höflich hinzugefügt.
    Sie hatten gerade zu Abend gegessen und nun saßen sie zu viert, Robert, Kate, Joseph und Jane, vor einem knisternden Feuer, während draußen hinter den mit Frost überzogenen Fenstern der Schnee fiel. Väterchen Frost hatte bereits eine eisige Zehenspitze in den Türspalt geschoben.
    »Das macht mir nichts aus«, sagte der Russe. »Ist ja schließlich alles aktenkundig. Der Grund ist halb politischer und halb akademischer Natur.«
    Awakomowitsch nahm einen Schluck aus seinem Cognac-Glas und drehte den Schwenker in seinen sehr großen Händen.
    »Der politische Teil ist ganz einfach. Ich war im Herzen nie Anhänger der Kommunistischen Partei und glaubte auch nicht an das System – obwohl es gut zu mir war. Ein Blick auf Ostdeutschland und ich wusste, dass ich da weg wollte. Außerdem gab es mit Ausnahme meiner Stellung nichts, was ich zurücklassen musste.« Er blickte lächelnd auf Jane, die am Einschlafen war.
    »Aber den eigentlichen Anstoß hat mir der intellektuelle Reiz gegeben.« Awakomowitsch blickte von dem Baby auf und sah Robert DeClercq an. »Als ich an meinen beiden letzten Diplomen arbeitete, hat man uns ermuntert, uns mit den klassischen Werken über berühmte Mordfälle im Westen zu befassen. Nach der offiziellen Parteilinie ließen diese Fälle erkennen, wie krank die bürgerliche Gesellschaft war. Am meisten haben mich dabei die Fälle der Mörder fasziniert, die einzig und allein deshalb gemordet hatten, weil es ihnen Spaß macht. Die Deutschen haben dafür ein Wort – sie nennen so jemanden einen Lustmörder.
    Solche Morde gibt es in der Sowjetunion nicht. Wenigstens keine, auf die ich Jagd machen könnte – und das ist eine reale Tatsache. In jenem Land werden Leute mit der Anlage zum Lustmord früh erkannt und in die Geheimpolizei eingeschleust. Ihre Aggressivität wird genutzt, und als eine Gruppe naturgegebener Killer sind sie wie eine vom Aussterben gefährdete Spezies geschützt.«
    Jane war auf Robert DeClercqs Schoß eingeschlafen. Der Russe hob sein Glas und leerte die Reste seines Cognacs.
    »Ich bin übergelaufen, weil ich einen Gegner finden wollte. Deshalb bin ich in den Westen gekommen. Hier gibt es so viele davon.«
    08:25 Uhr
    Joseph Awakomowitsch war ein Hüne von einem Mann. Er war einen Meter neunzig groß und seine Schultern und sein Brustkasten waren so massiv wie ein altmodisches hölzernes Bierfass. Wie die meisten Männer seiner Statur hielt sich der Russe meist leicht gebeugt, so als würde er unbewusst versuchen, sich der Größe der meisten Männer in seiner Umgebung anzupassen. Obwohl Robert DeClercq ihn zwölf Jahre nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, wirkte der Russe wenig verändert. Sein Haar war immer noch fast so weiß wie das eines Albinos und in üppiger Fülle und mit einer auffälligen Tolle nach hinten gekämmt. Seine grauen Augen funkelten immer noch hinter Brillengläsern in einer schlichten Stahlfassung. An den großen Händen trug er immer noch keinerlei Schmuck mit Ausnahme

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