Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
aufhielt, nachdem sie ein ziemlich undeutliches, aus New Orleans übermitteltes Foto angesehen hatten.
Weitere Erkundigungen in Louisiana brachten keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Grabowski war aus Topeka, Kansas ausgerissen – damals noch ein unbedarftes Mädchen vom Land mit einem frischen Gesicht. Ihre Familie hatte seit Januar 1980 nichts mehr von ihr gehört. Anfang April desselben Jahres war sie in New Orleans wegen Zechprellerei verhaftet worden. Sie hatte sich schuldig bekannt und eine Bewährungsstrafe erhalten. Obwohl von ihr keine weiteren Straftaten amtsbekannt waren, waren sie und ein gewisser John Lincoln Hardy, auch bekannt als »Das Wiesel«, verdächtigt worden, einem Prostituiertenring anzugehören. Vier Personen waren infolge jener Ermittlungen unter Anklage gestellt worden, aber nicht Grabowski und Hardy. Und das war’s dann auch schon. Das war alles. New Orleans hatte das Polizeifoto Grabowskis aus dem Jahre 1980 und eine unauffällig vom Rücksitz eines Wagens aus gemachte Aufnahme von Hardy geschickt.
Was blieb davon für die Headhunter Squad? DeClercq sah sich mit nichts als Fragen konfrontiert.
Wenn es sich nicht um ziellose Morde handelte, welche Verbindung bestand dann? Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass der Mörder einer bestimmten Person versuchte, sein Verbrechen hinter der Hysterie einer nicht existenten psychopathischen Mordserie zu verstecken – aber konnte das für Hardy gelten, wo der sich doch nur kurze Zeit in der Stadt aufgehalten hatte? Nicht, wenn dies nicht wenigstens seine zweite Reise war.
War der nächstliegende Schluss nicht der eigentlich offensichtliche: Grabowski war von einem marodierenden Freier umgebracht worden?
Aber wenn das der Fall war, dachte DeClercq, weshalb dann Joanna Portman?
Der Superintendent warf einen letzten Blick auf die übrigen Fotos auf diesem Teil der Wand. Über dem Polaroidfoto von Grabowskis Kopf auf der Stange hatte er gestern die beiden Polizeifotos der Frau aus Vancouver und New Orleans befestigt. Aus beiden Bildern war die frische Unschuld eines Mädchens aus der Prärie von Kansas für alle Zeit verschwunden. Alles, was geblieben war, war eine verwüstete, willensschwache Frau. Das letzte Foto zeigte ihren Zuhälter – einen Schwarzen mit beginnendem Haarausfall und einem bleistiftdünnen Schnurrbart, dessen massive Schultern so dick waren, dass sie den Raum, wo eigentlich sein Hals hätte sein sollen, völlig für sich in Anspruch nahmen.
Es war jetzt 07:55 Uhr und DeClercq war im Begriff, sich dem Portman-Mord mit seinen makabren Einzelheiten zuzuwenden.
Im Zentrum dieses Abschnitts der Korktafel hing ein Foto einer katholischen Krankenschwester mit schwarzem Haar und fröhlichen Augen bei ihrer Abschlussfeier.
Sie erinnerte DeClercq an seine erste Frau Kate, als die noch jung gewesen war, und er wandte den Blick ab.
Draußen war der Morgen mit den Farben geschmolzenen Kupfers angebrochen. Die Glasscheiben in den beiden obersten Stockwerken des St. Vincent’s Hospital auf der anderen Seite der 33rd Avenue waren blendende, sonnenbestrahlte Spiegel.
»Haben Sie mich gesucht?«, fragte eine Stimme von der Tür.
»Habe ich das?«, fragte der Superintendent und fuhr herum.
»Ja«, sagte der Mann in der Tür. »Jemand hat meinen Hut bewegt, und ich glaube, das waren Sie. Der Betreffende hat ihn genauso hingelegt, wie er ihn gefunden hat, nur umgedreht. Das deutet auf eine präzise Person, die von anderen Dingen abgelenkt ist.«
»Also, ich muss schon sagen. Sie sind bestimmt der große Sherlock Awakomowitsch«, sagte DeClercq und lächelte. »Ich habe von Ihnen gehört.«
»Hallo, Robert«, sagte der Russe. »Lange nicht gesehen. Wie wär’s mit Frühstück? Ich lade Sie ein.«
»Gerne«, sagte der Superintendent – und das war der Augenblick, indem er es sah. Seltsam, dass er es nicht gleich bemerkt hatte; dabei war es ein wichtiges Detail. Als er sich vom Fenster abgewandt hatte, hatte er Joseph Awakomowitsch angesehen, und im Umdrehen war sein Blick über die Wand mit den Fotos der beiden Köpfe auf den beiden Stangen geschweift und hatte dabei Portmans Bild erfasst. Der für das letzte Verbrechen reservierte Abschnitt der Korkwand hing ein Stück rechts von der Tür. DeClercq brauchte etwa eine Sekunde, um bewusst die Verbindung zwischen den drei Bildern herzustellen. Dann wandten sich seine Gedanken nach innen.
Awakomowitsch war ein zu aufmerksamer Mann, um die Anzeichen nicht wahrzunehmen. »Was ist Ihnen
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