Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
Quentin zwei Jahre zuvor zwei Männer an ihn herangetreten und hatten ihn aufgefordert, sie im Kampfsport auszubilden, damit sie Weiße töten könnten. Nach einer Theorie, die Bürgermeister Alioto vor Beginn des Verfahrens darlegte, gab es in der Organisation der Death Angels Titel und Ämter, die einer Person auf der Grundlage ausgeübter krimineller Handlungen zuerkannt wurden. Das Mordschema, sofern man es als solches bezeichnen kann, war, dass auf der Straße willkürlich Opfer ausgesucht, erschossen oder mit einer Machete, einer Axt oder einem Messer ermordet wurden. Enthauptung und andere Arten der Verstümmelung brachten den Mördern besondere Anerkennung der Organisation ein. Beim ersten Zebra-Mord wurde eine Frau enthauptet.«
»Woher kommt der Begriff ›Zebra‹?«, wollte Genevieve wissen.
»Die Funkwellenlänge der Polizei, die in diesem Fall benutzt wurde.«
»Und du meinst, dass es sich bei Zodiac um einen ähnlichen Kult gehandelt hat?«
»Ja, aber der Zodiac-Mörder ist nie gefasst worden. Er oder vielleicht auch mehrere Täter, heißt das.«
»Müssen es nicht ›mehrere‹ sein, wenn du von einem Kult sprichst?«
»Nicht nach meiner Definition. Ein Einzelmörder könnte glauben, Teil einer Gruppe zu sein – selbst wenn der Rest des Kults nur in seiner Fantasie existiert. Zodiac pflegte Mitteilungen an die Polizei zu schicken, die ein Tierkreiszeichen enthielten und in denen er erklärte, er würde, wenn er einmal sterbe, im Paradies wiedergeboren werden. Alle Leute, die er getötet hatte, würden dann seine Sklaven sein.«
»Das klingt wie ›Reverend‹ Jim Jones und sein Guyana-Kult.«
»Genau. Was meinst du also?«
Wieder herrschte ein paar Augenblicke Stille, dann sagte Genevieve: »Ich teile deine Meinung, dass der Totempfahl eine gewisse Bedeutung haben muss. Ich teile auch deine Meinung, dass es innerhalb der Red-Power-Bewegung eine radikale Randgruppe geben könnte. Dass die Köpfe fehlen, ist ganz sicherlich bizarr. Aber glaubst du nicht, dass deine Vermutung von wegen Kannibalismus ein wenig weit hergeholt ist?«
»Mag sein. Aber es gibt da diesen Präzedenzfall in der Hamatsa. Es hängt alles davon ab, wie unheimlich dieser Kult oder dieser Killer ist.«
»Haben wir darüber nicht ein Buch?«
»Ja, es steht im Bücherschrank im Gästeschlafzimmer. Im unteren Regal.«
»Wie lautet der Titel?«
»Geschichte des Potlatch.«
»Warte. Ich hole es.«
DeClercq hörte, wie Genevieve den Hörer weglegte und wie ein Dielenbrett unter ihren Schritten ächzte. Ein paar Minuten lang saß er mit geschlossenen Augen in seinem Büro und malte sich die Szene in seinem Haus aus. Seine Frau würde jetzt einen ihrer bodenlangen Bademäntel tragen. Sie würde ihn an der Hüfte zusammengebunden haben und beim Gehen würde man in dem Schlitz vorne ihre Beine sehen können.
In all den Jahren hatte Robert DeClercq diesen Anblick immer genossen. Denn auf ihre ganz eigene Weise war Genevieve ebenso Schauspielerin wie Kate das gewesen war.
Der Gedanke an Kate rief ihm die Szene auf dem mit Blättern bedeckten Friedhof ins Gedächtnis. Seine Augen weiteten sich plötzlich und er schüttelte einen Hauch unvermittelter Kälte von sich ab.
In den ersten Jahren seiner zweiten Ehe hatte DeClercq stets Schuldgefühle empfunden, wenn er sich an seine erste Familie erinnerte. Keine Stunde schien zu verstreichen, ohne dass er an Kate oder Jane dachte. Ganz besonders an Janie, wie sie auf seinen Knien saß. Wenn der Superintendent sich an Kate erinnerte, kehrten seine Gedanken häufig zu jenem Abend in New York zurück, an dem er sie kennengelernt hatte. Es war November gewesen, kurz vor Thanksgiving.
DeClercq war wegen einer Anhörung zu einem Auslieferungsantrag nach New York gefahren. Ein Kollege von der Mordkommission der NYPD hatte erfahren, dass der kanadische Corporal gern ins Theater ging, und angeboten, ihm ein Ticket für eine Broadway-Aufführung zu besorgen. DeClercq hatte es mit Freuden angenommen.
Es war eine Aufführung von Rosmersholme von Henrik Ibsen. Kate hatte die Hauptrolle gespielt.
Noch heute konnte DeClercq sich deutlich an den Nervenkitzel, die Spannung, das erotische Prickeln erinnern, das ihr Spiel in ihm entfacht hatte. Es war, als würde sie physisch die Bühne beherrschen und seine Aufmerksamkeit bannen. Noch nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte ein Gefühl ihn so benommen gemacht. Es war eigenartig und undefinierbar. Ihr zuzusehen, schien seinem Wesen Bedeutung zu
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