Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
Wessons .38, die an jenem Tag in Seattle gekauft worden waren.
Getreu dem Slogan: » Eine .38 kann man nicht vergewaltigen.
Hoodoo
17:46 Uhr
Corporal William Tipple vom Dezernat Wirtschaftskriminalität war der Erste, der die Verbindung herstellte: Man könnte sagen, wenn Tipple nicht gewesen wäre, hätte die linke Hand vielleicht nie erfahren, was die rechte tat.
Der Corporal war nicht gerade der Typ Mann, wie ihn die Royal Canadian Mounted Police auf Werbeplakaten darstellen würde. Er war einen Meter fünfundsiebzig groß, eher schmächtig gebaut, hatte Pockennarben im Gesicht und ständig Schuppen auf der Schulterpartie seines karierten Sportsakkos. Sein Hemdkragen war ein wenig abgewetzt und schmutzig, und obwohl er ständig Schmutz unter den Fingernägeln hatte, glich der Mann seine Schwächen durch seine schier grenzenlose Energie und seine überschäumende Wesensart aus. Tipple hatte seine letzten fünf Dienstjahre als Spezialist für elektronische Überwachung im Dezernat Wirtschaftskriminalität verbracht, bedauerte es aber sehr, nicht »draußen« aktiv zu sein. Tipple war die Art Polizist, dem es Spaß machte, Uniform zu tragen, so passé das auch sein mochte.
Am späten Nachmittag jenes Montags war der Corporal in die Headhunter-Zentrale gekommen, um sich einen persönlichen Eindruck vom Geschehen zu verschaffen. Das war der einzige Grund für seine Anwesenheit. Tipple war einfach stolz darauf, der Royal Mounted Police anzugehören, und wollte an allen wichtigen Vorgängen beteiligt sein. Und so betrat Tipple am späten Montagnachmittag die Bibliothek.
In der Bibliothek wimmelte es von Menschen.
Überall Männer und Frauen, Polizeibeamte in Uniform und Zivil, die an Tischen saßen, an den Wänden lehnten, manche hockten sogar lesend auf dem Fußboden. Tipple genoss das. Bei so viel Aktivität lebte er auf, und von dem Wunsch getrieben, daran beteiligt zu sein, schlenderte er von Tisch zu Tisch.
Am Tisch mit den Fotografien blieb der Corporal stehen und sah sie sich an. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen von Abzügen; Fotos wanderten von Hand zu Hand, gelegentlich mit einer Bemerkung, Bilder von Leichen, Bilder von Köpfen, Bilder von Tatorten, Schnappschüsse von Frauen, die Aufnahme einer Krankenschwester in Amtstracht bei der Abschlussprüfung, Fahndungsfotos im Profil und von vorne von Hunderten von Männern, die meisten mit einem Gesichtsausdruck, der auf Fetischismus und Besessenheit deutete.
Der Mann neben ihm hielt in jeder seiner großen Hände ein Foto. In der linken ein Bild, das den Kopf einer Frau zeigte, der auf einer Stange steckte, in der rechten dasselbe Gesicht, nur dass es einen diesmal aus einem Fahndungsfoto anglotzte. Der Mann starrte den Schnappschuss des abgeschnittenen Kopfes wie in Trance an. Der Corporal fand das eigenartig.
»Wie ein Puzzle, nicht wahr?«, sagte William Tipple.
Der Mann drehte sich mit glasigen Augen und ohne zu lächeln zu ihm herum.
»Ich bin Bill Tipple«, stellte der Corporal sich vor. »Dezernat Wirtschaftskriminalität.«
»Al Flood«, erwiderte der Mann. »Vancouver Police Department, Dezernat Kapitalverbrechen.«
Ah, dachte Tipple, die arbeiten also auch daran. Er war ein wenig verletzt. Ein Bulle von der Stadtpolizei, also quasi ein Außenseiter, während er – Bill Tipple von der RCMP – ein Insider, draußen in der Kälte war. Das war nicht richtig.
»Sieht aus wie Schlussverkauf in der Billigetage bei der Hudson Bay Company, wie?«, meinte der Corporal freundlich und deutete mit einer Kopfbewegung auf die vielen Beamten im Saal.
Flood schüttelte bloß den Kopf und wandte sich wieder seinen Fotos zu.
Yeah, du mich auch, Kumpel , dachte Bill Tipple. Dann fing auch er an, in den Fotos auf dem Tisch zu wühlen. Er hatte den Eindruck, dass Bilder von Köpfen und Leichen jetzt besonders gefragt waren. Jemand warf ein Foto eines Farbigen auf den Tisch und griff nach einem anderen. Tipple hob es auf. Jemand schnappte sich eine Vergrößerung von Spuren an einem Halswirbel, darunter lag ein zweites Foto der Frau, deren Bild Flood in der rechten Hand hielt. Auch eine Fahndungsaufnahme, aber anders. Tipple griff nach dem Foto.
»Hier«, sagte er und reichte Flood das Foto. »Noch ein Stück für Ihr Puzzle.«
»Danke«, nickte der Detective und griff mit vom Nikotin gelben Fingern danach. Seine Augenpartie wirkte etwas geschwollen.
Sieht aus wie ein Zyniker, dachte Tipple.
»Das stammt aus unserer VPD-Fahndungskartei im
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