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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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ihnen, sie sollen fliehen ... warte.« Billy hielt die Kirkfigur hoch. Ihre kleinen Plastikaugen musterten ihn. Billy überlegte und überlegte so schnell er nur konnte. »Wati.«
    »Ja«, sagte Kirk.
    »Uns bleibt noch so viel Zeit, wie Grisamentum braucht, um den Laster zu finden«, erklärte Billy hastig. »Und du hast gesehen, wie viele von ihm da draußen sind. Wati, ich weiß, du bist verletzt, aber kannst du bitte wach bleiben? Kannst du mich hören?« Keine Antwort. »Wenn er nicht aufwacht«, sagte Billy zu Saira, »dann müssen wir allein losgehen, aber ...«
    »Wo?«, fragte Kirk. »Wohin gehen?«
    »Wie geht es dir?«
    »Schlecht.«
    »Kannst du ... reisen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du hast es hierher geschafft.«
    »Diese Puppe ... hab sie so häufig benutzt, jetzt ist sie wie ein Sessel, der sich der Form meines Hinterteils angepasst hat.«
    »Was ist passiert, Wati?«
    Vorübergehend herrschte Schweigen. »Ich dachte, ich wäre tot. Ich dachte, deine Freundin Marge wäre ... Es waren Goss und Subby.« Billy wartete. »Ich kann Marge fühlen. Immer noch. Jetzt noch. Ich kann sie fühlen, weil der Staub meines alten Körpers überall an ihren Händen klebt. Ich kann das riechen.«
    »Sie war in Hoxton.«
    »Sie muss irgendwie ... sie muss Goss und Subby entkommen sein.« Wie erschöpft Wati auch sein mochte, in seiner Stimme schlug sich eine gewisse Ehrfurcht nieder.
    »Kannst du zu ihr?«
    »Der Körper existiert nicht mehr.«
    »Aber sie trägt einen.« Billy legte die Hand an die Vorderseite seines Hemds, dort, wo ein Anhänger hängen würde. »Kannst du den Staub dazu nutzen, sie aufzuspüren? Kannst du es versuchen?«
    »Wo ist Dane?«
    Die Kämpfe gingen weiter, die Geräusche arkaner Morde. »Sie haben ihn umgebracht, Wati«, sagte Billy.
    Und endlich sagte Wati: »Wie lautet die Nachricht?«
    Saira flüsterte Dinge in Londons Ohren, schmeichelte und bettelte darum, dass die Stadt, wie bestürzt sie in dieser Nacht auch sein musste, eine Botschaft an ihren ehemaligen Lehrer in dem Lastwagen übermittelte. »Wir können nichts weiter tun als uns beeilen«, ließ Billy sie wissen, bevor er ihr erklärte, wohin sie den Laster schicken sollte. Sie formte ein Stück Mauer neu, machte aus ihm eine urbane Hecke, durch die sie sich hinaus auf eine Straße drängte.
    Billy blieb für ein paar Sekunden allein zurück, so allein, wie er es in diesem Lärm und dem verbliebenen Kampfgeschehen nur sein konnte. Er starrte das Gebäude an, in dem sein Freund gestorben war, und er wünschte, er wüsste, mit welcher tentakelhaften Geste er einen toten Soldaten anstandsgemäß in den Frieden des Kraken verabschieden konnte. Doch da er es nicht wusste, schloss er nur die Augen und schluckte und sprach Danes Namen und hielt die Augen noch etwas geschlossen. Das war schon die ganze Zeremonie, die er sich einfallen lassen hatte.

75
    Wie konnte man etwas von der Größe eines Sattelschleppers vor dem Himmel verbergen? Eine Weile schützte ihn Fitchs Unentschlossenheit: Da er sich weder zu seinen kämpfenden Brüdern und Schwestern bekennen noch sie im Stich lassen wollte, hatte er keine Meile entfernt das Fahrzeug in einem Tunnel parken lassen. Dort, im Licht der in den Boden eingelassenen orangefarbenen Leuchtstoffröhren, hatte er die Warnblinkanlage eingeschaltet, ganz so, als hätte der Lastwagen eine Panne. Dann wartete er, während Flüchtlinge dieser Nacht in ihren Autos vorüberrasten. Als Saira ihre Botschaft sandte, hatte sie, hatte London es nicht weit, sie zu übermitteln.
    Während Grisamentums Tintenpersönlichkeiten als Kundschafter über ihren Köpfen dahinjagten, rannten Saira und Billy zum Versteck des Lasters, vorbei an Schlieren von Vogelkot und Postern, die Alben und Ausstellungen bewarben. Komm und triff dich mit uns, hatte Saira ihn gebeten. Wir brauchen dich. Beschämt ließ Fitch den Motor starten und den Laster aus seiner Höhle hinaus auf die überwachten Straßen fahren.
    Die Papiere schraubten sich wie Wasser in einem Abfluss vom Himmel herab und griffen den Lastzug an. Er schob sich einfach hindurch. Diese Papierschnipsel waren vernunftbegabt, trotzdem verhielten sie sich wie Raubtiere im Fresswahn. Sie knäulten sich zusammen und schlugen auf der Windschutzscheibe auf wie Motten. Als er Saira und Billy und die Londonmantiker und die krakenhaft galoppierenden Gebissenen erreichte, die hatten fliehen können, wurde der Sattelschlepper von einem Gewimmel an aufgeregten Papieren

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