Der Krater
Feuchtigkeit und häufigem Gebrauch. Khon spähte durch seine dicken Brillengläser auf die Karte und blickte dann auf. »Das sind die Phnom-Ngue-Hügel, und dahinter liegen die Berge an der Grenze zu Thailand.«
»Mann, ist das heiß. Wie machst du das, Khon?«
»Was denn?«
»Dass du so kühl bleibst, so ordentlich gebügelt.«
»Man muss den Schein wahren«, entgegnete er und faltete mit seinen plumpen, manikürten Fingern die Karte wieder zusammen. »Am Fuß dieser Hügel liegt ein Dorf namens Trey Nhor. Das ist der letzte Außenposten der kambodschanischen Hoheitsgewalt. Dahinter – Niemandsland.«
Ford nickte. Er tupfte sich den Schweiß vom Gesicht, wischte sich die Hände trocken, hob ein Bein über den Sitz, ließ den blechern klingenden Motor an, gab Gas, und es ging weiter, langsam den holprigen, gewundenen Pfad entlang. Während der nächsten paar Kilometer kamen sie durch mehrere Siedlungen – ein Grüppchen Pfahlhäuser, ein Wasserbüffel vor einem Karren, Kinder, die in einer mit Schilfmatten gedeckten Schulhütte in lautem Sprechchor etwas aufsagten. Dann stieg der Pfad in höher gelegenes Gelände an. In der Ferne ragte ein Hügelkamm auf, und zwischen den Baumwipfeln stieg Rauch empor.
»Trey Nhor«, sagte Khon.
Sie fuhren durch den Wald. Das helle Winseln der Motoren klang wie ein Schwarm Moskitos. Ford war dankbar für die Brise, obwohl auch die kaum kühlte. Nach ein paar Kilometern Fahrt erschienen die Hütten des Dorfes unter gewaltigen Kapokbäumen mit dornigen Stämmen und Wurzeln, die über den Boden krochen wie Riesenschlangen. Gleich darauf erreichten sie einen offenen Platz, umgeben von Schutzdächern auf Bambuspfählen. Inmitten des Platzes stand ein Grüppchen pfahlförmiger Ahnenfiguren wie magere Dämonen. Ford blickte sich um; das Dorf wirkte verlassen.
Sie parkten die Motorräder, klappten die Ständer herunter und stiegen ab. Um die winzige Lichtung drängte sich der riesige, seufzende Wald, so dass sich die menschliche Gegenwart hier beinahe zwischen den Bäumen verlor.
»Wo sind denn alle?«, fragte Ford.
»Sieht aus, als seien sie weggelaufen. Alle bis auf eine.« Khon wies mit einem Nicken auf eine der offenen Bambushütten, und Ford konnte darin eine hutzelige alte Frau erkennen, die auf einer gewobenen Matte saß. Khon holte eine Tüte Bonbons aus seinem Rucksack, und sie gingen zu ihr hinüber. »Diese Gegend hat während der Zeit der Killing Fields sehr gelitten«, erklärte Khon, »und sie haben immer noch Angst vor Fremden.«
»Frag sie nach Pfaden in die Phnom-Ngue-Hügel.«
Die Frau wirkte so alt, wie ein Mensch nur werden konnte, und war kaum mehr als ein Gerippe, bedeckt mit schlaffer, faltiger Haut. Und doch war sie bemerkenswert lebhaft. Sie saß im Schneidersitz auf einer Matte, rauchte das bittere Ende einer Cheroot-Zigarre und grinste Ford an, wobei sie einen einzigen Zahn enthüllte. Khon bot ihr die offene Bonbontüte an, und sie fuhr mit der Hand hinein und nahm mindestens die Hälfte mit einem klauengleichen Griff heraus.
Khon sprach die Frau in ihrem Dialekt an. Sie antwortete lebhaft, nickte eifrig mit dem Kopf, und die knochigen Finger deuteten und zeigten.
»Sie sagt, dass wir besser nicht dorthin gehen sollten.«
»Sag ihr, dass wir auf jeden Fall dorthin gehen werden und ihre Hilfe brauchen.«
Khon sprach lange mit der Frau. »Sie sagt, es gäbe ein buddhistisches Kloster etwa zwei Kilometer nördlich von hier, das man nur zu Fuß erreichen kann. Die Mönche seien die Augen und Ohren des Waldes. Wir sollten zuerst zu ihnen gehen, sie würden uns den Weg zeigen. Für den Rest dieser Süßigkeiten wird sie auf unsere Motorräder aufpassen.«
Der Pfad stieg durch einen Hain von Jackfruchtbäumen auf und erklomm eine dicht bewaldete Anhöhe. Die Hitze war so intensiv, dass Ford sie bei jedem Atemzug in seine Lunge dringen spürte. Nach einer halben Stunde erreichten sie die Ruine einer Mauer aus riesigen Laterit-Blöcken, halb von Lianen verhangen, mit einer uralten Treppe, die eine Hügelflanke emporführte. Sie stiegen hinauf und kamen oben auf einem grasbewachsenen Platz voll halb versunkener Steinblöcke heraus. Dahinter ragten fünf verfallene Türme aus dem dichten Dschungel auf, und auf jedem Turm blickten vier Gesichter Vishnus in die vier Himmelsrichtungen. Ein uralter Khmer-Tempel.
Inmitten der Ruinen, auf einer grasbewachsenen Lichtung, stand das ausgebombte Skelett eines viel jüngeren buddhistischen Klosters. Es hatte kein
Weitere Kostenlose Bücher