Der Kreis aus Stein
Entlang der Hügel im Westen stimmten Wölfe ein trauriges Geheul an, als sei der Anblick von Longmot in Trümmern ein Verlust für sie.
Raj Ahtens Berater Feykaald rief mit heller Stimme: »Bewegt euch, ihr Nichtstuer! Laßt die Toten! Du da – hilf, die Wagen zu beladen!«
Der Schnee fiel dichter. In wenigen Augenblicken hatte er sich zu Raj Ahtens Füßen zwei Zoll hoch aufgeschichtet. Der stand einfach da und starrte auf Burg Longmot. Er überlegte, wie es kam, daß er hier gescheitert war, wollte begreifen, wie Jureem ihn an König Orden verraten hatte.
Totenstill lag Burg Longmot da. Keine Feuer brannten mehr in
ihrem
Innern,
keine
Soldaten
schrien
mehr
schmerzgequält…
Vor den Toren lief Cedrick Tempest auf und ab. Der einsame Soldat hielt sich leise fluchend und murmelnd das blutende Ohr. Womöglich hatte er den Verstand verloren.
Raj Ahten nahm sich ein Pferd, erinnerte sich daran, wie der Zauberer Binnesman ihm seins gestohlen hatte, und ritt über die Hügel davon.
KAPITEL 33
Der Gruß
ls Gaborn in Longmot eintraf, war das Land von den ATruppen verlassen, und die Ruinen der Burg lagen unter einer Schicht frisch gefallenen Schnees.
Der größte Teil von Gaborns Armee war noch weit zurück.
Nur gut fünfzig Ritter hatten Pferde, die schnell genug waren, um Schritt zu halten. In den Wäldern im Westen heulten Wölfe, deren Stimmen sich in gespenstischem Rhythmus hoben und senkten.
Binnesman war vorausgeritten und stöberte in den Trümmern des Bergfrieds der Übereigner herum.
Überall traf man auf Spuren von Gewalt und Zerstörung – Mauern und Türme von Longmot waren eingestürzt, Ordens Soldaten lagen zerschmettert unter Trümmern. Von Raj Ahtens Soldaten fanden sie nur etwa ein Dutzend, von Pfeilen durchbohrt, tot vor den Toren.
Der Wolflord hatte hier einen großen Sieg davongetragen, einen lähmenden Sieg, der in den Chroniken, die Gaborn gelesen hatte, ohne Beispiel war. Während der vergangenen Stunde hatte Gaborn versucht, seine Gefühle zu unterdrücken, seinen Verdacht, daß sein Vater umgekommen sei. Jetzt befürchtete er das Schlimmste.
Nur ein einziger Soldat stand lebend auf dem Schlachtfeld, ein Kommandant, der die Farben Longmots trug.
Gaborn ritt zu ihm. Das Gesicht des Soldaten war bleich, in seinen Augen stand das Grauen. Blut tropfte aus seinem rechten Ohr unter seinem Helm hervor und gerann im dunklen Haar seiner Koteletten zu einer Kruste.
»Kommandant Tempest«, fragte Gaborn, der sich noch von zuvor an den Namen des Mannes erinnerte, »wo ist mein Vater, König Orden?«
»Tot – mein… mein Lord«, antwortete der Kommandant, dann setzte er sich mit hängendem Kopf in den Schnee. »Sie sind alle tot.«
Gaborn hatte das erwartet. Trotzdem traf ihn die Nachricht wie ein Schlag. Er legte sich eine Hand auf den Bauch und ertappte sich dabei, wie er schwerfällig atmete. Ich war nicht gerade eine Hilfe, dachte er. Alles, was ich getan habe, war vergeblich.
Als er den Schaden begutachtete, wuchsen sein Entsetzen und sein Grauen noch. Nie zuvor hatte er eine Burg gesehen, die innerhalb von Stunden solche Zerstörung erlitten hatte.
»Wie kommt es, daß Ihr überlebt habt?« fragte Gaborn matt.
Der Kommandant schüttelte den Kopf, als suchte er nach einer Antwort. »Raj Ahten hat ein paar von uns als Gefangene genommen. Die anderen hat er… umgebracht. Mich hat er am Leben gelassen, damit ich Zeugnis ablegen kann.«
»Wovon?« wollte Gaborn wissen.
Tempest zeigte benommen auf die Türme. »Als erstes schlugen seine Flammenweber zu. Sie riefen Geschöpfe aus dem Jenseits herbei, welche die Burg mit Zaubern angriffen, die das Eisen verbrannten – und mit einem Feuerball, der über den Toren in der Luft explodierte und die Männer wie Kleinholz herumschleuderte.
Aber das war noch nicht das Schlimmste, denn dann erschien Raj Ahten selbst und zerschmetterte die Grundmauern der Burg mit dem Schrei seiner gewaltigen Stimme. Damit tötete er weitere Hunderte von uns!
Ich… mein Helm hat dicke Lederpolster, trotzdem kann ich auf meinem rechten Ohr nichts hören, und in meinem linken klingelt es noch immer.«
Gaborn starrte wie betäubt auf die Burg.
Er hatte gedacht, Raj Ahten hätte diesen Mauern vielleicht mit irgendwelchen entsetzlichen Katapulten zugesetzt oder seine
Flammenweber
aufgefordert,
irgendeinen
unbeschreiblichen Zauber auszusprechen.
Er hatte gesehen, wie der gewaltige Feuerpilz in den Himmel gestiegen war. Aber er hätte nie für möglich
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