Der Kreis aus Stein
gehalten, daß die Mauern unter einem einzigen Schrei zerbröckeln könnten.
Die Soldaten hinter ihm hatten sich verteilt und ritten langsam über das Schlachtfeld, um in den Ruinen nach Überlebenden zu suchen.
»Wo ist – wo kann ich meinen Vater finden?«
Tempest deutete einen Pfad hinauf. »Er ist dorthin gelaufen, zum Tor Loman. Er ist Raj Ahten hinterhergerannt, kurz bevor die Schlacht begann.«
Gaborn wendete sein Pferd, Kommandant Tempest jedoch warf sich nach vorn und ließ sich auf die Knie fallen. »Vergebt mir!« jammerte er.
»Wofür? Daß Ihr überlebt habt?« fragte Gaborn. Selbst er verspürte die Schuld all derer, die unerklärlicherweise mit dem Leben davonkommen, während ringsum alles starb. Sie lastete schwer auf ihm. »Ich vergebe Euch nicht nur, ich lobe Euch sogar.«
Er ließ sein Pferd begleitet von Tempests Jammern und dem Geheul der Wölfe über das Schneefeld traben.
Die Ringe seiner Kettenrüstung klirrten leise, als sein Pferd in einen Galopp verfiel und er einen schlammigen Pfad hinaufritt.
Zuerst war er nicht sicher, ob er in die richtige Richtung ritt.
Schnee bedeckte den Weg, und er konnte keine Spuren erkennen.
Nach einer halben Meile aber, als der Pfad unter die Eschen führte, entdeckte er Spuren in Matsch und Laub – die riesigen Schritte von Männern mit gewaltigen Gaben des Stoffwechsels, die durch die Wälder gerannt waren.
Fußspuren, zwischen denen zehn normale Schritte lagen.
Danach war die Spur leicht zu verfolgen. Der Weg zum Tor Loman war gut gepflegt, das Gestrüpp zurückgeschnitten. Das machte den Ritt mühelos, fast angenehm. Gaborn hielt längs des Pfades nach Anzeichen seines Vaters Ausschau, konnte aber keine entdecken.
Schließlich erreichte er die kahle Kuppe des Tor Loman, fand die Wiese, an deren oberen Ende das alte Observatorium des Herzogs stand. Hier hatte es heftig geschneit. Der Schnee lag vier Zoll hoch, und Gaborn sah Raj Ahtens edlen Helm am Fuß des Observatoriums liegen.
In den Helm waren feine Silberzeichen getrieben, wie die zu Zöpfen gedrehten Flammen, die die Flammenweber aus dem Himmel zogen. Diese Zöpfe führten bis zum Nasenschutz und liefen über die Augenschlitze. Ein riesiger einzelner Diamant war zwischen den Augen eingepaßt. Gaborn nahm ihn als Kriegsbeute an sich, band den zerrissenen Gurt am Sattel fest und achtete sorgfältig darauf, die weißen Eulenflügel auf dem Helm nicht zu zerdrücken.
Während er sich damit beschäftigte, sog er die Luft witternd ein. Durch den Schnee war der Himmel aufgeklärt, und der größte Teil der Witterung war fortgetragen worden, noch immer aber konnte Gaborn den Geruch des schweren golddurchwirkten Umhangs seines Vaters ausmachen, des Öls, das er zum Schutz seiner Rüstung benutzte. Sein Vater war hier gewesen. War vielleicht ganz in der Nähe – womöglich verwundet und noch am Leben.
Er stieg auf das Observatorium und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Zehn Minuten zuvor hatte der Schnee zu fallen aufgehört, daher konnte er recht gut sehen, wenn er auch mit seinen zwei Gaben der Sehkraft kaum als Weitseher bezeichnet werden konnte. Nach Osten hin, zehn Meilen weiter hinten, zogen Iome und ihr Volk über das Heideland.
Sie hatten die Straße nach Bannisferre fast erreicht.
In der Ferne, nach Südwesten hin, an der Grenze von Gaborns Sehvermögen, zogen sich Raj Ahtens Truppen über die Berge zurück. Das Rot und Gold ihrer Standarten verblaßte durch die Entfernung.
Er sah Männer, die auf ihren Pferden anhielten und zu ihm nach hinten schauten. Gaborn nahm an, daß ihn irgendwelche Weitseher beobachteten, die sich fragten, wer jetzt auf den Augen des Tor Loman stand. Vielleicht beobachtete ihn sogar Raj Ahten selbst.
Gaborn sprach leise: »Raj Ahten, ich verstoße dich. Ich werde dich vernichten.« Er erhob die Faust zum Zeichen der Kampfansage. Falls die Männer auf dem fernen Hügel selbst ebenfalls irgendwelche Zeichen machten, dann konnte er sie nicht sehen. Sie wendeten bloß ihre Pferde und galoppierten über die Hügelkuppe davon.
Selbst, wenn ich eine Armee hätte, erkannte Gaborn, ich würde Raj Ahten jetzt nicht mehr einholen.
Trotzdem wurde ihm jetzt ein wenig leichter ums Herz. Er liebte dieses Land, genau wie sein Vater. Sie hatten nichts weiter gewollt, als den Wolflord daraus zu vertreiben, um seine Schönheit und Freiheit zu bewahren. Vielleicht hatten sie für eine Weile Erfolg damit gehabt. Gaborn sah auf seine Füße.
Der Schnee war erst nach
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