Der Kreis aus Stein
sich zur Belagerung eingerichtet.
Wenn Raj Ahtens einhunderttausend Mann Verstärkung erst eingetroffen wären, würde Gaborn den Wolflord nicht aus seiner Stellung vertreiben können.
»Iome«, fragte Gaborn, »dürften mein Vater und ich einen Augenblick alleine miteinander sprechen?«
»Natürlich«, sagte Iome und ging hinaus. König Sylvarresta blieb und aß weiter. Gaborns und seines Vaters Days blieben ebenfalls.
Gaborn war sich ihrer Anwesenheit seltsam bewußt, sie machte ihn verlegen. Nachdem Iome den Raum verlassen hatte, trat er trotzdem zu seinem Vater, schlang die Arme um ihn und weinte.
»Aber, aber«, tröstete sein Vater leise, »warum sollte ein Prinz weinen?«
»Du schickst mich mit einem sinnlosen Auftrag los«, sagte Gaborn. »Ich spüre es. Etwas… stimmt ganz und gar nicht.« Er wußte nicht, wie er anfangen sollte, dennoch spürte er, daß sie darüber reden mußten – was zu geschehen hatte, wenn einer von ihnen den Tod fand. Sie hatten diese Möglichkeit im Laufe der Jahre nach der Ermordung von Gaborns Mutter oft besprochen, und seitdem noch mehrmals. Diesmal jedoch hatte Gaborn ein Gefühl des Unvermeidlichen.
Was er wirklich tun wollte, was er tun mußte, war, sich zu verabschieden.
»Wie können wir wissen, ob unser Kampf sinnlos ist?« fragte sein Vater. »Ich kann Raj Ahten bis zu deiner Rückkehr aufhalten.
Ich werde Ritter hoch zu Roß im Innenhof aufstellen, die bereit sind, einen Ausfall zu wagen. Wenn Grovermans Leute eintreffen, möchte ich, daß du sie von der nördlichen Seite des Hügels angreifen läßt. Der Hang fällt leicht ab. Das dürfte für deine Lanzenträger von großem Vorteil sein. Dann werden meine Ritter zu dir stoßen, und schon haben wir das Ungeheuer in der Zange…
Aber eins mußt du mir versprechen, Gaborn. Du wirst mich persönlich gegen Raj Ahten kämpfen lassen. Ich bin der Kopf der Schlange. Ich allein bin auf diesen Kampf vorbereitet.«
»Möglicherweise ist Raj Ahten gefährlicher, als du ahnst«, sagte Gaborn. »Er ist darauf aus, die Summe aller Menschen zu werden. Er hat so viele Gaben des Stoffwechsels übernommen, daß du ihn nicht ohne weiteres töten kannst. Du wirst ihm den Kopf abschlagen müssen.«
»Soviel war auch mir bereits klar«, sagte König Orden und blickte lächelnd auf seinen Sohn hinab.
Gaborn sah seinem Vater in die Augen, und ihm wurde ein wenig wohler ums Herz. Das Gewimmel der Soldaten auf den Burgmauern wurde immer dichter, und dies war eine kleine Burg, leicht zu verteidigen. Mit sechstausend Mann auf diesen Mauern müßte sein Vater imstande sein, die Burg sogar gegen Raj Ahtens Unbesiegbare zu halten.
Sein Vater würde sich nicht Hals über Kopf ins Verderben stürzen. Er würde einen wohlüberlegten Kampf fechten. Die Würfel waren längst gefallen. Als Kopf des Schlangenrings mußte sein Vater gegen Raj Ahten antreten. In seinem Herzen wußte Gaborn, daß sein Vater von sämtlichen Männern in der Burg für diese Aufgabe am besten geeignet war.
Und doch schmerzte es, es schmerzte fürchterlich zu wissen, was vielleicht geschehen würde, und es ohne Abschied auf sich zukommen zu lassen.
»Wo ist Binnesman?« fragte Gaborn. »Er kann helfen, dich zu schützen.«
»Sylvarrestas Zauberer?« fragte Orden zurück. »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Er sagte… er wolle mich hier treffen. Gestern abend rief er einen Wylde aus der Erde zu sich, den er hofft, in die Schlacht zu werfen. Er ist unterwegs nach Longmot.«
Gaborn war sicher, daß er kommen würde.
Gaborn umarmte seinen Vater, legte die Stirn an die Wange des älteren Mannes. Ich wurde gesalbt, König dieser Erde zu werden, dachte Gaborn. Es hieß, Erden Geboren sei so empfänglich für die Erdkräfte, für das Leben, daß er, wenn einer seiner auserwählten Freunde in Gefahr geriet, die Angst dieses Mannes spüren konnte.
Starb einer von ihnen, spürte er den Verlust dieses Lebens.
Jetzt witterte Gaborn rings um seinen Vater Gefahr, und als er sich an das Gesicht seines Vaters schmiegte, drang er mit seinem Verstand forschend vor, spürte dort den Lebenswillen, einer Lampe gleich, die darum kämpft, nicht zu erlöschen. Es war ein seltsames Gefühl, eines, an das er zuvor nie gedacht hatte, und er fragte sich, ob er es sich jetzt nicht bloß einbildete.
Die ganze Nacht war er durchgeritten. Während dieser Zeit hatte er die Welt klarer wahrgenommen als je zuvor.
Der Augentrost wirkte noch immer, lange nachdem er glaubte, die Wirkung
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