Der Kreis aus Stein
so, flehte er die Mächte an. Nicht so ein unwürdiger Tod.
Plötzlich löste sich die Umklammerung seines Herzens. Es begann wild zu pumpen. Raj Ahten entleerte seine Blase in die Rüstung wie ein alter Mann, der sich nicht mehr kontrollieren kann, und fühlte sich überaus erleichtert, als sein Körper den Sieg über das Gift davontrug.
Er lag im Gras, und die Schmerzen ließen nach. Seinem eigenen Empfinden nach hatte er minutenlang auf der Erde gelegen, in den Augen der Bogenschützen oben auf den Mauern waren jedoch sicher nur Sekunden verstrichen.
Er kämpfte sich erneut auf die Beine, wankte zu den Reihen seiner Truppen, sank hinter einem Riesen auf die Knie, den er wie einen Schild benutzte.
Er blickte sich um, sah, wie einige Männer seiner Ehrengarde noch immer versuchten, sich mit erhobenem Schild im Geschoßhagel wieder aufzuraffen. Doch die Bogenschützen auf den Mauern durchlöcherten sie weiter mit Pfeilen.
Wut drohte ihn zu übermannen, eine blinde, rasende Wut.
Raj Ahten unterdrückte sie. Es brächte ihm nichts ein, diese Männer zu vernichten.
Raj Ahten erhob sich keuchend außer Reichweite der Bögen und brüllte Richtung Burg: »Tapfere Ritter, schändliche Lords: Ich komme in diesen harten Zeiten als Freund und Verbündeter. Nicht als Euer Feind!«
Er verlieh den Worten mit der vollen Kraft seiner Stimmgewalt Würze. Die Männer würden sicherlich verstehen, daß er hier der Verletzte war. Elf seiner besten Krieger lagen sterbend auf dem Schlachtfeld.
Obwohl er weit entfernt war, zu weit, als daß seine Anmut ganze Wirkung entfalten konnte, mochte vielleicht allein seine Stimmgewalt die Männer ins Schwanken bringen. »Kommt schon, König Orden«, rief er ganz vernünftig. »Laßt uns gemeinsam beraten. Ihr wißt doch sicher, daß ich eine gewaltige Armee im Rücken habe. Vielleicht seht Ihr sie ja von Eurem Ausguck aus?«
Er hoffte, daß Vishtimnu anrückte. Vielleicht hatte sein Anblick Orden zu dieser heimtückischen Tat getrieben. Mit aller Liebenswürdigkeit, die er aufbringen konnte, sagte er beschwichtigend: »Besiegen könnt Ihr mich nicht, und ich hege keinen Groll gegen Euch. Legt Eure Waffen nieder.
Öffnet die Tore. Werdet meine Diener. Ich werde Euer König sein und ihr mein Volk!« Wie vor Burg Sylvarresta wartete er voller Spannung auf die Kapitulation.
Er schien eine volle Minute zu warten, bis überhaupt eine Reaktion erfolgte. Bei der, die folgte, handelte es sich nicht um die erhoffte.
Nur ein paar Dutzend junger Burschen warfen die Waffen über die Mauern, so daß die Speere und Bögen gegen die Burgwehren schepperten und klatschend in den Graben fielen.
Doch ebenso schnell, wie die Waffen fielen, fielen auch ihre Besitzer – denn die Männer auf den Mauern stießen ihre willensschwachen Gefährten in den Tod.
Ein riesenhafter, schmierig wirkender Bär von einem Mann stand genau über den Toren und spie so weit er konnte, so daß ein Klumpen seines Speichels Raj Ahtens sterbende Ritter traf.
Ordens Männer brachen in Gelächter aus und schwenkten ihre Waffen.
Raj Ahten hockte im kühlen Wind und biß die Zähne aufeinander. Vor Burg Sylvarresta war seine Ansprache nicht besser, aber die Wirkung eine vollkommen andere gewesen.
Vielleicht lag es daran, daß er aufgrund seines beschleunigten Stoffwechsels die Worte nicht so langsam wie erhofft gesprochen, sie nicht mit der richtigen Betonung versehen hatte. Jedesmal, wenn man Gaben des Stoffwechsels übernahm, mußte man die Kunst des Sprechens und Hörens von neuem lernen.
Oder vielleicht lag es an den Gaben der Anmut, sagte er sich.
Ich habe seit Burg Sylvarresta an Anmut verloren. Das hatte er beim Tod der Herzogin von Longmot gespürt, die ihre Gaben der Anmut mit in den Tod genommen hatte.
»Also gut«, rief Raj Ahten. »Dann werden wir es auf die harte Tour ausfechten!« Wenn Orden die Absicht gehabt hatte, seinen Zorn anzustacheln, dann hatte er sein Ziel erreicht.
Raj Ahten war um Beherrschung bemüht, ertappte sich dabei, wie er vor Wut schäumte. Er wußte, daß es für die Männer in der Burg hart werden würde. Es wäre für alle Betroffenen schneller gegangen, wenn sie sich ergeben hätten.
Raj Ahten hatte hundert Burgen eingenommen, viele davon besser befestigt als diese, und seine Erfahrung in diesem Handwerk war unübertroffen.
Ich werde an diesem hochmütigen König Orden ein Exempel statuieren, schwor er.
Er stand vor seinen Schlachtreihen, hob seinen Kriegshammer in die Höhe und
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