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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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deren Entleerung ließ man sich dann nicht hetzen.
    Das junge Paar begnügte sich mit je einem pint Bier. David trank ein Guinness, Rebekka ein leichtes lager.
    Noch immer eher benommen als begeistert folgte David den Schilderungen des hinreißenden Mädchens an seinem Tisch. Ab und zu schaute er sich vorsichtig um und mehr als einmal entdeckte er die neugierigen Blicke, das Grinsen und Tuscheln seiner Kommilitonen an den anderen Tischen. Völlig zu Unrecht genoss David den Ruf eines pedantischen Langweilers. Dass ausgerechnet er nun mit dem hübschesten Mädchen im Umkreis von fünfzig Meilen hier am Tisch saß, bot Anlass zu mannigfaltigen Spekulationen.
    Als Rebekka im letzten September den Abschiedsbrief von David erhalten hatte, durchlief sie eine Kaskade unterschiedlicher Gefühle. Zuerst, behauptete sie, habe sie das ganze Haus zusammengeschrien, die Arztpraxis ihrer Mutter eingeschlossen. Einige Patienten sollten sogar aufgeschreckt auf die Straße geflüchtet sein. Danach habe sie geweint, ungefähr sieben Tage lang. Die Tränen mussten schließlich eine Art mentalen Erdrutsch ausgelöst haben, den die Arzttochter als So-einfach-entkommst-du-mir-nicht-Syndrom bezeichnete.
    Von nun an lag Rebekka ihrer Mutter mit einem Plan in den Ohren, den sie schon zuvor einige Male erörtert hatten, wie Eltern eben gewisse Wünsche ihrer lieben Kleinen zu bereden pflegen: Du willst zum Mond reisen? Aber gewiss, mein Kind. Lass mich dir nur noch einen warmen Pullover stricken und dann kann’s losgehen.
    Rebekka blieb hartnäckig. Sie wollte für ein Jahr als Aupairmädchen in eine gute englische Familie gehen, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, und anschließend ein Universitätsstudium beginnen, am besten in Oxford. Natürlich habe sie gewusst, dass David dort studierte. Er hatte in einem seiner Briefe den Namen eines Professors erwähnt. Marie, ihre Mutter, habe sich schließlich breitschlagen lassen von Paris aus Erkundigungen anzustellen. Bald wusste sie, dass David am University College studierte. Seine Hauptfächer – Englisch und Moderne Geschichte – kannte sie ebenfalls.
    »Und dann bist du in das Sekretariat stolziert und hast behauptet, ich hätte dich geschwängert.«
    Rebekka kicherte, als hafte diesem Wort irgendetwas Urkomisches an. »So habe ich mich nicht ausgedrückt. Du wärest der Vater meines ungeborenen Kindes, habe ich gesagt. Das stimmt doch, oder etwa nicht?«
    David sah Rebekka erschrocken an. Hatte Reverend Dr. Costley-White bei der Aufklärung seiner Schüler etwa ein wesentliches Detail verschwiegen? »Seit wann kann man auf postalischem Wege Kinder kriegen?«
    »Du Dummerchen! Ich habe ja nichts über den Zeitpunkt gesagt, wann das Kind geboren wird. Aber da wir füreinander bestimmt sind, wird es schon irgendwann kommen.«
    David nahm einen tiefen Schluck von seinem Guinness. Er fragte sich, ob die Sekretärin, die das Verzeichnis der Studenten führte, Rebekkas Äußerung auch in diesem erweiterten Sinne verstanden hatte. Nachdenklich blickte er in das makellose Antlitz auf der anderen Seite des Tisches, das ihn unschuldig anlächelte. Zwar fehlte ihm jede Erfahrung auf diesem Gebiet, aber er wurde das Gefühl nicht los sich gerade Hals über Kopf zu verlieben.
    »Seit wann bist du in Oxford?«, fragte er, nur um das Gespräch vorerst in ruhigeres Fahrwasser zu lenken.
    »Vor drei Tagen bin ich in London angekommen. Gestern haben mich dort die Greenboroughs, meine Gastfamilie, abgeholt. Er ist Professor am Balliol College und sie bekleidet diverse ehrenamtliche Ämter in der Stadt.«
    David nickte. »Typischer Akademikerhaushalt. Haben sie Kinder?«
    »Zwei kleine Monster. Junge und Mädchen. Vier und fünf. Wird ein hartes Stück Arbeit werden.«
    »Das hast du auch verdient, Bekka. Schade nur, dass sie nicht vier Kinder haben.«
    Rebekka grinste spitzbübisch. »Für das Grobe ist eigentlich die Nanny zuständig. Meine Aufgaben liegen mehr im gesellschaftlichen Bereich. Unter anderem soll ich Mrs Greenborough beim Aufpolieren ihrer Französischkenntnisse helfen.«
    »Und was willst du machen, wenn das Jahr um ist?«
    Rebekka zuckte die Achseln. »Ich habe so viele Ideen. Manchmal möchte ich am liebsten wie meine Mutter Medizin studieren, dann wieder zieht es mich zur Kunst – ich spiele inzwischen sehr gut Klavier. Aber ich denke, Lehrerin wäre auch ein schöner Beruf.«
    David blickte nachdenklich in ihre jettschwarzen Augen, bis er schließlich fürchtete darin versinken zu

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