Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
gefärbten Haaren, gereinigtem und gebügeltem schwarzen Anzug kreuzte er im Reichspräsidentenpalais auf und versprach dem Generalfeldmarschall eine Titelstory in dem »bedeutendsten Nachrichtenmagazin der Welt«, Das war nicht einmal gelogen, Laird Goldsborough, dem jetzt in New York die Auslandsnachrichten unterstanden, hatte David telegrafiert, er solle sich um ein entsprechendes Interview bemühen. Paul von Hindenburg hatte nichts dagegen einzuwenden, seinen Kopf auf dem Time-Magazin wieder zu finden, wenn nur die obligatorische Pickelhaube mit abgebildet wurde.
Der Fünfundachtzigjährige keuchte und ächzte unter seinem Alter, aber er war ein aufmerksamer Gesprächspartner. Und ein harter Knochen, Es gelang David zwar, Hindenburgs latente Abneigung gegen Hitler noch ein wenig zu verstärken, aber das war auch schon alles. Regelrecht selig hätte es den glühenden Monarchisten gemacht, den alten Wilhelm II. wieder auf dem Thron zu sehen, aber der hatte sich auf Schloss Doorn in den Niederlanden verschanzt. Wenn schon nicht der Kaiser sich seines Volkes wieder annehme, wolle doch wenigstens er, Hindenburg, als Reichspräsident Deutschland zu neuem Ruhm und Glanz führen, mit jener starken Hand, die das Reich so dringend brauche. Das zerstrittene Parlament der Weimarer Republik sei damit ja ganz offensichtlich überfordert.
David machte sich fleißig Notizen und stöhnte innerlich. Lord Belial hätte sich angesichts von Hindenburgs Worten die Hände gerieben. So verwundert es nicht, wenn David sich am Ende von dem alten Haudegen mit recht zwiespältigen Gefühlen verabschiedete.
Seiner Meinung nach war Hindenburg eine taube Nuss, schwer zu knacken, aber innen hohl. Dagegen mochte sich ihm der neue Reichswehrminister vielleicht doch noch öffnen. Dieser hatte sein Amt von Papen übertragen bekommen, was allgemein mit den Worten kommentiert worden war, hier wasche eine Hand die andere. Der neue Minister hieß nämlich Kurt von Schleicher.
Es war höchste Zeit, Jasons Träne in Sicherheit zu bringen. Deshalb reaktivierte David wieder sein hauseigenes Observierungsteam. Danach bemühte er sich um eine neue Unterredung mit Schleicher, erst auf telefonischem Wege, später auch mittels wiederholtem Erscheinen im Ministerium. Aber jedes Mal fiel Heinrich Schildmann, jetzt Sekretär des Reichswehrministers, eine neue Ausrede ein. Immer wieder wimmelte er David ab. Schleicher schien so fern wie der Mann im Mond.
Das Gespräch mit Edgar Jung, kurz nach Papens Ernennung zum neuen Reichskanzler, hatte in David wieder einmal eine seiner unbequemen Erinnerungen geweckt. Da war von einem Dolch im Rücken Papens die Rede gewesen und dieses Bild zerrte einen Gedanken ins grelle Licht seines Bewusstseins, der unterschwellig ständig vorhanden war. Es ging einmal mehr um Johannes Nogielsky und das ihm gegebene Versprechen.
David tat sich schwer mit dieser Pflicht. Ihn ängstigte die Vorstellung, der Mutter desjenigen gegenüberzutreten, den er im Großen Krieg mit seinem Schwert getötet hatte. Das Wissen allein, damals in Notwehr gehandelt zu haben, konnte David nicht vor den Träumen schützen.
Träume, die immer wieder Johannes Nogielsky vor ihn treten ließen, mit einem traurigen Ausdruck in den Augen und einem blutigen wakizashi in der Brust.
Sich ein Herz fassend, nahm David die Aufgabe erneut in Angriff. Vielleicht würde er in Deutschland mehr Erfolg haben als früher von London oder Paris aus. Friedhelm Lauser verfügte über eine beachtliche Anzahl von Informanten, was ihn als »Bruder« für David ja gerade so kostbar machte.
Unter Friedhelms munter sprudelnden Quellen befand sich ein Polizeiwachtmeister namens Wilhelm Krützfeld vom Polizeirevier Nr. 16 am Hackeschen Markt. Krützfeld war ein aufrichtiger Mann, dem Recht und Ordnung alles bedeuteten und die Zustände auf den Berliner Straßen ein Gräuel. Schon der Anblick eines einzelnen braunen SA-Prüglers konnte ihn zur Weißglut bringen. Er war Anfang vierzig, hatte bereits mehr graue als dunkle Haare und besaß außer den Funken sprühenden blauen Augen keine besonderen Merkmale. Sein gutes Herz entdeckte man erst auf den zweiten Blick.
Wilhelm eroberte sich schnell einen Platz in Davids Schattenarchiv, Sektion »Bruderschaft«. Die erste gute Tat des Polizisten war die Empfehlung eines unterbeschäftigten Ermittlers: seit dem Krieg auf dem rechten Auge blind, Ende 1918 mit ein wenig Schummelei trotzdem in den Polizeidienst zurückgekehrt, nach
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