Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
sich stattdessen an David. In seiner Stimme schwang Entsetzen mit. »Sie sind einer der erfolgreichsten Journalisten des Jahrhunderts. Wie könnte Ihnen das, was ich über Sie herausgefunden habe, schaden?«
David seufzte. »Ich glaube, mein junger Freund, um Ihnen das zu erklären, sind mehr als nur ein paar Worte nötig.«
Davy Pearson gehörte zu jenen Glücksfällen, die dem Jahrhundertkind in seinem an Ereignissen und Begegnungen gewiss nicht armen Leben nur selten widerfahren waren. Seine Aufgeschlossenheit für Davids Wahrheitsworte konnte am ehesten mit der Lorenzos verglichen werden. Sogar Mia musste sich eingestehen, dass dieser junge Mann nicht der gewissenlose Schurke war, dem ihre kühle Ablehnung gegolten hatte. Dennoch tat sie sich erheblich schwerer damit, Pearson jenes Vertrauen entgegenzubringen, das ihr Großvater anscheinend zu investieren bereit war.
Nachdem David – zunächst noch in gekürzter Fassung – die Geschichte der Weltverschwörung des Lord Belial präsentiert hatte, öffnete sich nun auch Davy weiter seinen Gästen. Sachlich, frei von jedem Eigendünkel schilderte er seine hochkomplexe Arbeit.
Im Internet gebe es hunderte von so genannten Suchmaschinen, erklärte er. Diesen auch als Servern bezeichneten Computern könne man einen oder auch mehrere Suchbegriffe vorwerfen und werde manchmal mit tausenden von Treffern belohnt. Solche langen Ergebnislisten durchzusuchen sei für die meisten Netzsurfer dermaßen ermüdend, dass sie bei komplexen Recherchen schnell aufgäben. Ins absolut Unüberschaubare anwachsen könnten die Treffer, nehme man gleich mittels so genannter Metasuchmaschinen mehrere Computer in die Pflicht. Er, Davy, habe jedoch ein »kluges Progrämmchen« entwickelt, das durch die Verknüpfung unterschiedlicher Suchbegriffe überschaubare Ergebnismengen erziele. Die Software sammle zunächst die Abfrageresultate aus mehreren hundert Internetservern und unterziehe sie weiteren Verdichtungsstufen. Auf diese Weise habe er, ähnlich wie bei einer polizeilichen Rasterfahndung, eine »Schnittmenge« zwischen David Pratt und Francis Jacob Murray, dem Adoptivsohn des Duke of Atholl, hergestellt.
David war nicht nur schwer beeindruckt, er war auch tief beunruhigt. »Sie kennen jetzt meine Geschichte, Davy. Es mag Ihnen zwar schwer fallen, meine schier unverwüstliche Lebenskraft zu begreifen, doch Ihnen sollte zumindest klar geworden sein, welchen Schaden Sie durch weitere Veröffentlichungen über mich anrichten können. Werden Sie davon Abstand nehmen?«
Die Augen des jungen Mannes wanderten nachdenklich zwischen David und dessen Enkelin hin und her. »Unter einer Bedingung«, sagte er schließlich.
Mias Augen verengten sich.
»Und die wäre?«, fragte David.
»Sie müssen mir erlauben, Ihnen im Kampf gegen diesen Weltverschwörer beizustehen.«
»Ist das Lammfleisch?«, fragte Mia. Ihre Kiefer mahlten eher lustlos. Der Gedanke an ein wolliges weiches Lämmchen machte den Genuss des von Kathy zubereiteten Abendessens für sie zu einer ernsthaften Prüfung.
»Känguru«, erwiderte Bruce. »Hervorragend, nicht wahr?«
Mias Gabel klapperte auf den Teller. »Entschuldigung.«
»Stimmt etwas nicht, Kindchen?«, erkundigte sich die Köchin.
Davids Enkeltochter blickte argwöhnisch auf das Fleisch hinab, als könne es jeden Augenblick vom Teller hüpfen. »Ich habe keinen Appetit.«
»Im Kühlschrank ist noch ein Rest Emu. Wenn du möchtest…?«
»Nein, nein! Schon gut«, wehrte Mia ab. Mannsgroße Laufvögel passten auch nicht gerade in ihr vorwiegend vegetarisches Ernährungskonzept.
»Zum Nachtisch gibt es Eis mit Früchten«, lockte die dunkelhäutige Gastgeberin. »Das Obst ist garantiert tot. Bruce hat’s heute früh frisch geschlachtet.«
Mia blickte entsetzt in Kathys ernstes Gesicht.
»War nur ein Scherz, Kindchen«, beruhigte die Aborigine ihren wählerischen Gast.
Jetzt lachten alle am Tisch, Mia eingeschlossen.
David war an den Hacker mit der Bitte herangetreten, das »kluge Progrämmchen« doch einmal nach Lucius Kelippoth zu befragen. Wegen der vorgerückten Stunde und weil die beiden Gäste von der Reise doch ziemlich erschöpft wirkten, hatte Davy eine Vertagung vorgeschlagen. In familiärer Atmosphäre war man bald darauf zum Abendessen zusammengekommen. Bruce erzählte mit hintergründiger Ironie, wie aus dem Erben des Pearson-Vermögens ein »ordentlicher Junge« geworden sei. Die »School of the Air« hatte Davys erste Schuljahre
Weitere Kostenlose Bücher