Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
erst… «
»… auf Golizyns Namen gestoßen«, vollendete Lorenzo den Satz. Auf seinen Lippen zeigte sich ein triumphierendes Lächeln.
David sah ihn erstaunt an. »Woher weißt du…?«
Lorenzo deutete auf eines von sieben Porträts, die über der Kurdistankarte an der Wand klebten. »Dein Doppelgänger. Es ist kein anderer als Golizyn. Jetzt wissen wir, nach wem wir in der Sowjetunion fahnden müssen.«
»Das erleichtert die Sache nur unwesentlich. Wir alle wissen, wie schwierig es ist, hinter dem Eisernen Vorhang zu ermitteln.«
»Vielleicht solltest du selbst dorthin gehen.«
»Ich könnte dir einen Satz Papiere anfertigen, die dich zu einem Parteifunktionär der DDR machen«, schlug Ruben erwartungsvoll vor.
»Für eine solche Reise ist es noch zu früh«, beschied David. »Die Sowjetunion ist ein riesiges Land und ich spreche nicht einmal Russisch. Das mit den Papieren ist in Ordnung, Ruben. Du kannst dich gleich an die Arbeit machen.«
Der Künstler strahlte.
»Und du, Lorenzo«, wandte sich David an seinen anderen Freund, »kannst schon einmal Vorbereitungen für eine ›stille Einreise‹ in die UdSSR treffen.«
Lorenzo nickte. »Ich werde unseren Mann in Trabzon informieren. Er wird alles Nötige veranlassen.«
»Trabzon? Liegt das nicht in der Türkei, am Schwarzen Meer? Warum soll ich gerade von dort aus über die Grenze gehen, wenn wir nicht einmal wissen, wo sich Golizyn…?«
»Ich hätte da noch einen anderen Vorschlag«, unterbrach Lorenzo den Freund. »Wenn ich ihn dir erklärt habe, wirst du mich verstehen. Es geht um den geheimen Versammlungsort des Bundes. Sagt dir der Name Athos etwas, David?«
Der Gefragte nickte. »Eine Mönchsrepublik auf der Chalkidiki-Halbinsel in Nordgriechenland. Sie darf nur von Männern betreten werden. Was ist damit?«
»Im Grunde ist Äthos eine autonome Region mit eigener Verfassung, die juristisch dem Ökumenischen Patriarchat in Istanbul untersteht. Als ehemaliger Benediktiner ist mir diese Halbinsel im Mittelmeer nicht ganz fremd. Es waren Mönche vom Orden des heiligen Benedikt aus Amalfi, die 980 nach Christus dort eines der ersten Klöster gründeten. Ungefähr ein Drittel aller noch erhaltenen altgriechischen Manuskripte wird in den etwa zwanzig Klöstern von Athos aufbewahrt.«
»Jasons Vermächtnis und das Qumran-Manuskript über den Ararat-Bund sind auch auf Griechisch abgefasst.«
Lorenzo nickte. »Mein Gedanke. Wenn man im Vorderen Orient schon in alter Zeit von einem Kreis der Dämmerung oder von angeblich heiligen Stätten wusste und heute noch Aufzeichnungen darüber existieren, dann gibt es keinen besseren Ort für Nachforschungen als Athos.«
»Zwanzig Klöster!«, grübelte David. »Die Suche könnte Jahre dauern. Hast du eine ungefähre Vorstellung, wie groß der Bestand an Handschriften ist, die man dort einsehen kann?«
»Es sind ungefähr fünfzehntausend. Aber das ist nebensächlich. Ich habe dir schon ein viel versprechendes Forschungsobjekt ausgesucht. Da die Megistis Lavras, die erste Einsiedelei der Halbinsel, nicht mehr besteht, wirst du deine Suche im nächstälteren Kloster Iviron beginnen. Es hat vor zwei Jahren seine Tausendjahrfeier begangen. Außerdem meine ich, einmal von einem Fresko gelesen zu haben, das die Kapelle des Klosters schmückt und einen persischen König oder Statthalter zeigt. Vielleicht gibt es ja eine besondere Beziehung zwischen Iviron und dem Vorderen Orient.«
»Du nimmst an, Golizyn könnte seinen Schlupfwinkel irgendwo in der Nähe Kurdistans haben, vielleicht in Transkaukasien, stimmt’s?«
»Möglich wär’s. Ich werde jedenfalls in dieser Region einige Ermittlungen anstellen. Sollten wir im Kaukasus auf eine heiße Spur stoßen, könnte dich unser trabzonischer Bruder auf einer der Schmugglerrouten nach Adscharien und von dort nach Armenien bringen. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Zunächst musst du die Athos-Nuss knacken.«
David sah erwartungsvoll in die Runde. »Na, dann nichts wie los.«
Lorenzo lächelte. »Du stellst dir das etwas zu einfach vor, David.«
»Ist es das etwa nicht?«
»Nein, man ist auf Athos Ausländern gegenüber grundsätzlich sehr zurückhaltend eingestellt. Du wirst einen schriftlichen Antrag stellen müssen.«
»Nichts leichter als das.«
»Außerdem musst du dir einen Bart stehen lassen.«
»Du machst Witze.«
»Und drittens brauchst du eine offizielle Erlaubnis deines Bischofs.«
»Wie bitte?«
»Die kann ich dir besorgen!«, warf Ruben ein und
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