Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Zagrosgebirge.«
»Nie gehört.«
»Das liegt im Westen des Iran.«
»Dann hast du mit deiner damaligen Vermutung, es könnte sich bei der Figur um einen persischen Herrscher handeln, also Recht behalten.«
»Darauf kommt es nicht an. Viel entscheidender ist, dass zwischen dem Großen Ararat und den nördlichsten Ausläufern des Zagrosgebirges nur knapp siebenhundert Kilometer Luftlinie liegen.«
David pfiff leise zwischen den Zähnen hindurch. »Dann könnte der Bund vom Ende des Sonnenkreises, oder wie immer er sich in Behistan genannt hat, aus irgendeinem Grund in die Gegend des Ararat umgezogen sein. Weiß man Genaueres über die Person, die auf dem Hochrelief abgebildet ist?«
Lorenzo nippte kurz an seinem Rotwein und nickte. »Ja, es soll sich um Dareios I. handeln. Ich habe alles genauestens recherchiert. Er wurde 522 vor Christus geboren und starb im Jahr 486.«
»Also lange vor Alexander dem Großen.«
»Das stimmt. Allerdings haben die Seleukiden dem Hauptrelief später noch weitere hinzugefügt. Bei der ganzen Anlage könnte es sich um eine Kultstätte handeln, die sogar noch nach der Zeitenwende in Gebrauch war. Ich möchte dir einen Vorschlag machen, David.«
»Nur zu.«
»Die von uns im Mithräum unter San Clemente gesehenen Bilder, die Schriftrolle über den Ararat-Bund, das Hochrelief von Behistan – alles das deutet daraufhin, dass der Kreis der Dämmerung regelmäßig oder zumindest bei besonderen Anlässen zusammenkommt.«
David nickte. »Ähnliches ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Als ich seinerzeit mit Barrios im Palast des Großen Jaguars gesprochen habe, schlug ich ihm ein Treffen aller Logenbrüder vor. Seine damalige Antwort bestätigt unsere Überlegungen. Er sagte: ›Bisher hat das wenig gebracht. ‹ Also gab es solche Beratungen in trauter Runde. Ich weiß, woran du denkst, Lorenzo, und die Idee gefällt mir.«
Ruben sprach aus, woran die anderen beiden nur dachten. »Ihr wollt die Bande zusammentrommeln und dann auf einen Schlag ausräuchern, habe ich Recht?«
Gemessen an sonstigen Landschaften der Erde war das gebirgige Grenzgebiet zwischen der Türkei, dem Iran und der Sowjetrepublik Armenien eine beinahe überschaubare Gegend. Diesen Eindruck konnte man jedenfalls gewinnen, wenn man einen flüchtigen Blick auf den Globus warf. Wie sich schnell herausstellte, war aber ausgerechnet diese Region eine der unwirtlichsten in ganz Kleinasien. Und das hatte weniger mit ihrer Unzugänglichkeit, den extremen Witterungsbedingungen oder der mangelnden Dichte gastronomischer Betriebe zu tun, sondern vielmehr mit den dort lebenden wilden Bergvölkern.
Ehe sich David in das von Wegelagerern verseuchte Gebiet wagen konnte, brauchte er zuerst klare Anhaltspunkte, an welchem Ort Belial neuerdings mit seiner geschrumpften Anhängerschaft konferierte. The Weald of Kent lag ja nicht gerade in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ararat, und wenn der Jahrhundertplan in England aus der Taufe gehoben worden war, konnte sich der Geheimzirkel inzwischen auch an jedem anderen gottverlassenen Flecken dieser Welt versammeln.
Es war also nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die hauptsächlich von Lorenzo vorangetriebenen Recherchen zur Eruierung der Tagungsstätte des Geheimbundes durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden mussten. In Anlehnung an einen berühmten Steinkreis nannte er sein Projekt Stonehenge.
Einige Tage nach dem Eintreffen von Zvi Aharonis letztem Brief stieß Lorenzo auf einen weiteren Anhaltspunkt, der die Empfehlung des unbekannten »Freundes« nur umso dringlicher erscheinen ließ.
»Ich musste in letzter Zeit immer wieder an diesen Psychopathen Charles Manson denken, der sich ›Satan‹ nannte. Wusstest du, dass die Teufelsanbetung unter den Yeziden in Kurdistan weit verbreitet ist?«
»Ich verstehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun haben soll.«
»Der Ararat liegt in Kurdistan. Die nördlichen Ausläufer des Zagrosgebirges, zu dem ja auch das Kalksteinmassiv Behistan gehört, reichen ebenfalls in dieses Gebiet hinein…«
»Und in Behistan hat man das Hochrelief von Dareios I. gefunden und der Ararat-Bund hat sich hier versammelt. Ich weiß, Lorenzo. Das ist alles hochinteressant, aber worauf willst du hinaus?«
»Ich habe ein wenig über die Yezidi, diese kurdische Glaubensgemeinschaft, nachgeforscht. Sie verehren Ta’usi-Melek, den gefallenen ›Engel-Pfau‹. Ihrer Ansicht nach hat Gott ihn von seiner Seite verstoßen und ihm eine
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