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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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realistisch, aber eben doch unbeweglich –, dann wieder entwickelte er einen gefährlichen Aktionismus, vor allem, wenn er gerade wieder eine seiner »grandiosen Ideen« hatte.
    »Ich habe eine grandiose Idee.«
    David wedelte mit der Hand vor dem Gesicht. »Kannst du nicht endlich deine Zigarette ausmachen? Überhaupt wundert es mich, dass die Sargnägel dich nicht längst umgebracht haben.«
    Alis Mund entstieg eine gigantische Wolke. »Ich habe aber wirklich eine grandiose Idee, David.«
    »Hat sie mit unserer Reise ins Land des Bären zu tun?«
    »Bedingt. Ich brauche noch einen Tag für die Vorbereitungen. Du und das Mädchen…«
    »Sie heißt Kim.«
    »Ja, danke. Du und das Mädchen könnten das Museum von Trabzon besuchen.«
    »Mir steht jetzt wirklich nicht der Sinn nach…«
    »Im Museum werden noch einige Originale der Handschriften von Athanassios von Trapezunt aufbewahrt. Der Museumsdirektor ist mein Schwager. Ich könnte ihn bitten, sie euch zu zeigen.«
    »Du bist ein Pfundskerl, Ali. Aber hattest du mir nicht schon in Deutschland drei deiner Schwäger vorgestellt?«
    Ali grinste. »Wir sind eine große Familie. Ich fahre euch gleich zum Schwager Nummer vier.«
    Kim wurde auf dem Weg zum Museum von David über alles in Kenntnis gesetzt. Alis vierter Schwager, so er es denn wirklich war, empfing den unverhofften Besuch mit einer Mischung aus orientalischer Gastfreundlichkeit und Fatalismus – das Schicksal in Gestalt von Ali Urfa schien ihm öfters Forscher ins Haus zu spülen.
    Die Manuskripte des Klostergründers aus Trabzon waren für Historiker gewiss ein Leckerbissen, Kim fand jedoch nur eine einzige Stelle zum Bund von Bisutun.
    »Athanassios spricht hier von einem ›Geistertal, in dem die Feen schlafen‹«, sagte Kim überrascht.
    Davids Augen überflogen den für ihn schwer entzifferbaren griechischen Text. »Das könnte das Tal der Schlafenden Zauberer sein.«
    »Auf der Süd-Krim gibt es auch ein ›Geistertal‹ und vermutlich an hundert anderen Stellen auf der Welt ebenfalls. Das muss gar nichts bedeuten.«
    »Und wenn doch? Nennt der Mönch irgendwelche Städte, die sich in der Nähe des Tals befinden, Landmarken oder Ähnliches?«
    Kim beugte sich wieder über das Pergament. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf. »Athanassios spricht von verschiedenen Christengemeinden in der Gegend, aber sonst erwähnt er nichts Konkretes.«
    David nickte. »Ich werde trotzdem noch einmal bei Lorenzo anrufen und ihm berichten, was wir gefunden haben. Der kleinste Hinweis könnte den Schlüssel liefern.«
     
     
    Am nächsten Morgen brachen sie nach Osten auf. Da die Operation so unauffällig wie möglich ablaufen sollte, war der Türke auf eine weitere »grandiose Idee« verfallen, die sich dann als ein Rostfleck in Gestalt eines Lieferwagens herausstellte. Das Fahrzeug verfügte über einen geschlossenen Laderaum, der sich, wie Ali anmerkte, vorzüglich zum Transportieren von Entführten eigne, besaß Vierradantrieb und einen Motor, der, wie Ali betonte, jeder anderen behördlichen Maschine haushoch überlegen sei. So gerüstet könne man allen Schrecknissen des Kommandounternehmens gelassen entgegensehen, meinte Ali.
    David und Kim waren den Launen des Schmugglerfahrzeuges und ihres Fahrers wehrlos ausgesetzt. Wenn Ali in eine Linkskurve ging, rutschten alle nach rechts, und wenn er in die entgegengesetzte Richtung schwenkte, dann… na ja, man kann es sich denken. In David weckte die Fahrt zum Grenzgebirge zwischen der Türkei und der Sowjetunion leidvolle Erinnerungen an eine halsbrecherische Reise in einer Schweinekutsche von Mailand nach Rom.
    Sie erreichten die Zielregion kurz nach Einbruch der Dämmerung. Einige Kilometer weiter östlich verlief die Straße von Borga ins georgische Batumi. Natürlich durften sie sich nicht einmal in der Nähe der streng kontrollierten Gebirgspiste sehen lassen. Hier rieb sich der östliche am westlichen Machtblock, und wollte man zwischen beiden nicht zermahlen werden, hielt man einen gesunden Sicherheitsabstand. Normalerweise.
    Die Schleichwege im Grenzgebiet hatte Ali Urfa schon von seinem Vater gezeigt bekommen und der von dessen Großvater. Das Schmugglerhandwerk lag den Urfas also im Blut. Er habe das ursprünglich nicht wahrhaben wollen und sei deshalb als Gastarbeiter nach Deutschland gegangen, aber die Familientradition habe am Ende doch gesiegt.
    David verdrehte die Augen zum dunkler werdenden Himmel hin. »Irgendwann werden sie dich schnappen

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