Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Machenschaften Wladimirs herausgefunden habe, dann kann man wohl davon ausgehen.«
»Gut. Pass jetzt genau auf. Wir beide müssen so schnell wie möglich einige Dinge erledigen. Golizyns Hubschrauber wartet bereits im Garten. Es bleibt uns also nicht viel Zeit.«
»Was hast du vor?«
David lächelte listig. »Wir fliegen ins Tal der Schlafenden Zauberer.«
Das Tal der Schlafenden Zauberer
Die beiden Piloten zeigten echte militärische Tugenden: Sie taten, was man von ihnen verlangte. Sie flogen ihren Hubschrauber. Und sie stellten keine Fragen.
Kim spielte die Rolle der Mätresse des Salzmannes nach Davids Geschmack fast ein bisschen zu überzeugend. Sie saß auf dem Rücksitz des Helikopters eng an ihn geschmiegt, ihr Kopf lehnte an seiner Schulter, in den Augen ein verträumter Blick – er würde nach diesem Abenteuer ein ernstes Gespräch mit ihr führen müssen. Ähnlich wie bei der sowjetischen Grenzpatrouille waren ihr auch vor der Hubschrauberbesatzung genau die richtigen Worte eingefallen, um Davids Sprachlosigkeit zu überspielen. Offenbar kannten die beiden Luftwaffenpiloten Golizyn nicht näher.
David hatte sein linkes Auge grün gefärbt und sich mit dem Zeigefinger eine Vertiefung in die rechte Wange gebohrt. Die Kraft der Verzögerung hielt die Haut in Position. Diese Maskerade verlangte ständige Konzentration und darüber hinaus alle fünfzehn bis zwanzig Minuten eine »Restauration« der falschen Narbe. Er steckte in einem dunklen Anzug Golizyns, der nicht nur erfreulich trocken war, sondern ihm auch bemerkenswert gut passte. Sogar für Kim hatte sich etwas gefunden. Golizyns Schränke waren voll mit Frauenkleidern, was die Gerüchte um seine amourösen Abenteuer bestätigte.
Der Aufbruch aus der Salzfeste kann nur als überstürzt bezeichnet werden. Zuerst hatte Kim in aller Schnelle für sich und David die passende Garderobe hervorgesucht. Dann überflog sie die zumeist in Kyrillisch gehaltenen Dokumente, die von ihrem Vater offenbar für die Reise herausgesucht worden waren. Sie entdeckte eine Hotelbuchung für die Nacht vom 9. auf den 10. September, das war in zwei Tagen. Damit stand der Zeitpunkt des geheimen Treffens fest. Leider fand sich in den Papieren kein konkreter Hinweis auf das Tal der Schlafenden Zauberer, selbst der Ort, in dem Golizyn hatte übernachten wollen, blieb ungeklärt – ein Atatürk-Hotel gab es in der Türkei vermutlich in jedem größeren Dorf.
David hatte zunächst über das Funkgerät mit Ali Kontakt aufgenommen und ihn mit Igor nun definitiv nach Hause geschickt, danach sich dem Großreinemachen verschrieben. Er suchte einige Zeit – erwartungsgemäß ohne fündig zu werden – im Kamin nach dem Goldring. Dann kehrte er mit Besen und Schaufel Golizyns Überreste zusammen und vermengte sie mit der übrigen Asche. Vom einst so stolzen Hausherrn war nicht mehr als ein Fleck auf dem Teppich geblieben.
Anschließend telefonierte er von Golizyns Arbeitszimmer aus. Glücklicherweise besaß der Verblichene tatsächlich einen direkten Draht in die freie Welt. Da David jedes Risiko vermeiden wollte, wählte er jedoch nicht die Nummer der Gelben Festung, sondern bediente sich einer Relaisstation in Australien, die eine Ermittlung seines eigentlichen Gesprächspartners so gut wie unmöglich machte.
»Bist du es, Phil?«
»Nein, sein Bruder. Marco, ich muss dir leider mitteilen, dass Phil einen tödlichen Unfall erlitten hat.« Das bedeutete: Das Pseudonym Phil Claymore war aufgeflogen. »Den Salzmann hat’s allerdings auch erwischt. Was macht die Mulde der müden Magier?«
»Gute Nachrichten, mein Lieber. Wir haben sie dank der Informationen aus Athos eingekreist. Der Hinweis auf das Geistertal war dann das letzte noch fehlende Steinchen in meinem Puzzle. Oder sagen wir das vorletzte.«
»Die Zeit brennt mir unter den Nägeln, Marco! In ein paar Minuten werde ich zu dem besagten Ort aufbrechen, weiß aber nicht genau, wie nahe ich ihm wirklich kommen werde. Was hast du herausgefunden?«
Lorenzo kannte seinen Freund lange genug. Er zügelte seine Neugier und lieferte einen sachlichen knappen Bericht über die Ergebnisse seiner Recherchen.
Er sei endlich im Dreieck zwischen den türkischen Städten Nevsehir, Kayseri und Nigde fündig geworden, berichtete der ehemalige Benediktiner. Die ganze Hochebene sei vor Urzeiten durch Vulkanausbrüche mit Tuff, einem weichen Stein aus Lava, Asche und Schlamm zugedeckt worden. Die Erosion habe dann eine
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