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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sicheres Versteck und dort bleibst du dann, bis alles vorüber ist.«
    Nachdem Kim zugestimmt hatte, lief David zum Nasenloch und beugte sich hinaus. »Ich gebe Ihnen meinen Autoschlüssel, Chatscha. Nehmen Sie den Wagen und stellen Sie ihn vor dem Gästehaus Derinkuyu ab.«
    »Sie müssen wirklich verrückt sein, M. Cournot, hier mitten in der Nacht… «
    »Da ist der Schlüssel«, unterbrach David den Fremdenführer und warf ein Ledermäppchen aus der Nasenöffnung. »Morgen bekommen Sie noch ein Extratrinkgeld für Ihre Dienste. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.«
    Chatscha intonierte einen Schimpfgesang und stapfte in die Dunkelheit davon.
    David blickte sorgenvoll in Kims dunkle Augen. »Mir wäre wohler, du hättest dich ihm angeschlossen.«
    Ein Zucken ging durch ihre rechte Wange, der missglückte Versuch eines Lächelns. »Und ich werde mich erst dann besser fühlen, wenn du mit mir zusammen in Sicherheit bist.«
    Nachdem sich David vom ordnungsgemäßen Zustand der Wände überzeugt hatte – alles war wieder felsgrau –, betrat er mit Kim an der Hand das unterirdische Reich des Geheimbundes. Als Erstes spürte er mit seiner Gabe der bedingten Farbgebung das »Sicherungskästchen« auf. Es war gut versteckt in einer Mulde, vom Eingang her nicht auszumachen. Ein unvorsichtiger Höhlenforscher hätte sich schon nach wenigen Metern in die Luft gesprengt und damit auch gleich den Zugang verschüttet.
    David brachte die Moleküle der Box praktisch zum Stillstand, dann ließ er den Selbstzerstörungsmechanismus wieder langsam auftauen. Keine Elektronik der Welt hätte diese Tortur ausgehalten. Bevor noch das Rätsel des Frostschadens geklärt war, würde die Mission »Geistertal« abgeschlossen sein.
    Schon hinter der ersten Biegung fand sich ein größerer und bei weitem harmloserer Kasten. An seiner Außenseite waren zahllose Knöpfe und Hebel angebracht. Da gab es Schalter für das Licht, die Belüftung, Be- und Entwässerungspumpen und auch einen Hebel zum Schließen des Eingangs – alles fein säuberlich und in englischer Sprache beschriftet. Mehrere Sicherungen schützten die voneinander unabhängigen Stromkreise der Anlage. Der Kreis der Dämmerung befand sich wirklich auf dem neuesten Stand der Technik.
    Die Schalttafel verriet auch einiges über den Aufbau der Höhle. Ihren Beschriftungen zufolge musste es in dem Felsen drei Stockwerke geben, ein großes Strom- und Reserveaggregat, einen Schlaf- und Wohntrakt, Waffenkammern, eine Nachrichtenzentrale sowie…
    »Der große Ratssaal«, übersetzte David für Kim das Schild unter einer Zwanzig-Ampere-Sicherung. »Dort wird es sich entscheiden. Jetzt müssen wir nur noch ein Versteck für dich finden.«
    Er widerstand der Versuchung, den Stromgenerator zu starten. Die Gefahr einer Entdeckung war einfach zu groß. Möglicherweise leistete sich der Geheimbund hier ja eine Art Hausmeister, einen ortsansässigen Schergen, der in den Katakomben ab und zu nach dem Rechten sah, Staub wischte, die Apparate wartete, im Vorfeld der Sitzungen das Licht ein- und ausschaltete und vielleicht sogar für das körperliche Wohl der hohen Ratsherren sorgte. The Weald House, der Versammlungsort, an dem der Jahrhundertplan aus der Taufe gehoben worden war, musste nach den Notizen von Davids Vater ja der reinste Gourmettempel gewesen sein.
    Mithilfe der Stablampen drangen sie tiefer in das Labyrinth aus Höhlen und Gängen vor. Wie vermutet, hatten sie es mit einem richtigen Kommandozentrum zu tun, bestehend aus Unterkünften, einer modernen Kommunikationsanlage und allen anderen technischen Einrichtungen, die notwendig waren, um Bürgerkriege, internationale Verwicklungen und sonstige Tragödien anzustiften und in Gang zu halten.
    Voller Spannung betrat David den großen Konferenzraum, eine mächtige, zerklüftete Höhle im Herzen des Berges. David kannte sie. Im Mithräum unter San Clemente hatte er sie zum ersten Mal gesehen.
    Alles stimmte. Die Wände, so rau – kein Steinmetz dürfte sie je verletzt haben. In ihnen klafften Spalten, die in unendliche Tiefen zu führen schienen. Der Fußboden war zwar glatt, aber recht uneben. Die Decke wurde von Säulen getragen, die sich in unregelmäßigen Abständen über den ganzen Saal verteilten; sie wirkten wie riesige, im Boden verankerte Tropfsteine. Über eine Wand zogen sich Löcher und Vertiefungen, die das Bild eines Totenschädels formten. Auch diese Version des Ortsthemas war nicht von menschlichen Händen

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