Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
viel später, nicht erbarmen und ihr erzählen könne, wie sich alles zugetragen habe?
Cecilia Rosa erstarrte innerlich zu Eis. Sie sah Mutter Rikissa genau an und meinte plötzlich das Schlangenauge des Teufels vor sich zu haben. Standen Mutter Rikissas Pupillen in den geröteten Augen nicht auf einmal schräg wie die eines Ziegenbocks oder einer Schlange?
»Nein, Mutter Rikissa«, antwortete sie steif. »Darüber weiß ich nicht mehr als Ihr selbst. Wie sollte ich, eine arme, sündige Büßerin, auch wissen, was Mönche und Nonnen tun?«
Sie stand auf und ging, ohne noch etwas zu sagen und ohne Mutter Rikissa die Hand zu küssen. Sie musste sich sehr zusammennehmen, bis sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte und sie in dem schönen Kreuzgang stand. Hier kletterten die Rosen wie ein Gruß von Schwester Leonore immer höher die Pfeiler hinauf. Von ihr und von Bruder Lucien hatte niemand etwas gehört. Dass nie von Strafe, Buße und Exkommunikation die Rede gewesen war, konnte eigentlich nur Gutes bedeuten. Vermutlich waren sie jetzt zusammen im Südlichen Frankenreich - glücklich miteinander und ohne Sünde.
Cecilia Rosa ging langsam an den Kletterrosen im Kreuzgang entlang, schnupperte an den roten und strich über die geruchslosen weißen, und alle Rosen grüßten auf ihre Weise von Schwester Leonore und dem glücklichen Land Okzitanien. Doch Cecilia Rosa zitterte vor Kälte, obwohl der Sommerabend mild war.
Sie hatte vor der Schlange gesessen, und die Schlange hatte unschuldig wie ein Lamm gesprochen, und eine Weile hatte Cecilia Rosa fast geglaubt, dass die Schlange ein Lamm sei. Mit welch großem Unglück und welch schrecklicher Strafe hätte sie zu rechnen gehabt, wenn sie dieser Verlockung nicht widerstanden und in kindlichem Mitleid alles erzählt hätte.
Es galt eben, in allen Abschnitten des Lebens so zu denken wie einer der Mächtigen oder zumindest so wie Cecilia Blanka.
Die Reue von Mutter Rikissa und noch mehr ihr fruchtloser Versuch, Cecilia Rosa zum Bekenntnis zu verleiten, dass sie sich aufs Gröbste gegen den Klosterfrieden versündigt habe, ließ sich am ehesten dadurch erklären, dass Königin Cecilia Blanka beim nächsten Mal nicht allein zu Besuch kommen wollte. Der Jarl Birger Brosa sollte sie begleiten.
Das war eine schicksalsschwangere Nachricht. Der Jarl gehörte nicht zu den Leuten, die ein Kloster aufsuchten, um sich mit irgendeiner armseligen Büßerin zu unterhalten, auch wenn er Cecilia Rosa bisher immer unterstützt hatte. Wenn der Jarl höchstpersönlich einen Besuch machte, dann war mit großen Veränderungen zu rechnen.
Das ahnte auch Cecilia Rosa, als sie die Nachricht erhielt. Mutter Rikissa konnte solche Dinge nicht mehr für sich behalten, denn die Oeconoma musste rechtzeitig darüber informiert werden, welche Gäste man in Gudhem erwartete. Diese schickte dann ihre Männer, das einzukaufen, was sonst nicht in Gudhem verzehrt wurde. Die Regeln verboten zwar den Männern und Frauen, die ihr Leben Gott geweiht hatten, den Genuss von Vierfüßern, aber diese Vorschriften galten nicht für Jarle, auch nicht innerhalb der Klostermauern. Es war wohlbekannt, dass die burgundischen Mönche in Varnhem unter Pater Henris Aufsicht und mit seiner deutlichen Billigung die beste Küche im Norden geschaffen hatten. Nach Varnhem konnte Birger Brosa unangemeldet kommen und wurde
dort trotzdem besser verpflegt als an einer seiner eigenen Tafeln. Aber was Gudhem betraf, war er skeptischer.
Was Birger Brosa für Absichten hatte, darüber stellte Cecilia Rosa keine Vermutungen im Voraus an. Sie hatte nichts anderes zu hoffen, als dass ihre lange Buße ein Ende nehmen würde. Vorher konnten weder Könige noch Jarle etwas für sie tun, außer vielleicht Mutter Rikissa im Zaum zu halten - wenn nicht in der Zucht des Herrn, so doch immerhin in der weltlichen Zucht. Im Unterschied zu Mutter Rikissa hatte Cecilia Rosa nichts von Birger Brosa und Cecilia Blanka zu fürchten. Sie konnte einfach neugierig auf den Besuch ihrer lieben Freundin warten, der sich diesmal wohl etwas anders gestalten würde.
Der Jarl erschien mit großem Gefolge. Er war bei seiner Ankunft bereits satt und zufrieden, denn zur Sicherheit war er einen Tag und eine Nacht in Varnhem geblieben, ehe er zusammen mit der Königin das kurze Stück nach Gudhem geritten war.
Vor den Klostermauern ertönte auf dem neuen Pflaster Hufgetrappel. Männer waren zu hören, die sich in derben Worten unterhielten. Zeltstangen
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