Der Krieg am Ende der Welt
daß du es bist«, antwortete João Abade.
»Er muß es wissen.«
»Ich kann nicht befehlen«, protestierte der Neger. »Ich will es auch nicht lernen. Ein anderer soll den Chef machen.«
»Du befiehlst«, sagte der Straßenkommandant. »Für Diskussionen ist keine Zeit mehr, João Grande.«
Der Neger betrachtete nachdenklich die über die Felsen und Steinfelder verstreuten Gruppen von Männern unter dem bleigrau gewordenen Himmel.
»Auf den Ratgeber achtzugeben ist zuviel für mich«, murmelte er schließlich.
»Such dir die Besten aus, die, die am längsten hier sind, die, von denen du in Uauá und am Cambaio gesehen hast, daß sie gut kämpfen können«, sagte João Abade. »Wenn dieses Heer kommt, muß die Katholische Wachmannschaft stehen und Canudos schützen können.«
João Grande schwieg. Er kaute, obwohl sein Mund leer war. Er blickte auf die Bergrücken ringsum, als sähe er auf ihnen, eingeschüchtert und überwältigt von Staunen, die schimmernden Krieger des Königs Dom Sebastião.
»Du hast mich ausgesucht, nicht der Beatinho oder der Ratgeber«, sagte er dumpf. »Du hat mir damit keinen Gefallen getan.«
»Nein«, gab João Abade zu. »Ich habe dich nicht ausgewählt, um dir einen Gefallen zu tun oder um dir zu schaden, sondern weil du der Beste bist. Geh nach Monte Belo und an die Arbeit.«
»Gelobt sei der gute Jesus Ratgeber«, sagte der Neger. Er stand auf von dem Stein, auf dem er saß, und ging über die Geröllfelder davon.
»In Ewigkeit Amen«, sagte João Abade. Sekunden später sah er, daß der ehemalige Sklave zu laufen begann.»Das heißt, du hast zweimal gegen deine Pflicht verstoßen«, sagt Rufino. »Du hast ihn nicht getötet, wie Epaminondas wollte. Und ihn hast du angelogen und ihn glauben lassen, er sei tot. Zweimal.«
»Nur das erste ist schlimm«, sagt Caifás. »Ich habe ihm das Haar gegeben und eine Leiche. Es war die eines anderen, aber das konnte weder er noch sonst jemand merken. Und der Ausländer wird bald eine Leiche sein, wenn er es nicht schon ist. Es ist kein schweres Vergehen.«
Am rötlichen Ufer des Itapicurú, dem der Lohgerbereien von Queimadas gegenüber, breiten sich an diesem wie an jedem anderen Samstag die Buden und Marktzelte aus, in denen Verkäufer aus der ganzen Gegend ihre Waren ausrufen. Über das Meer bedeckter oder unbedeckter Köpfe, die Schwarz in den farbenfrohen Markt bringen, erheben sich die Stimmen feilschender Händler und Kunden, vermischt mit Wiehern, Bellen, Eselsgeschrei, dem Kreischen der Kinder und dem Johlen Betrunkener. Durch übertrieben krampfhafte Bewegungen ihrer verkrüppelten Glieder stimulieren Bettler die Freigebigkeit der Leute, vor kleinen Gruppen von Zuhörern spielen Musiker Gitarre und singen von Liebe und von den Kriegen zwischen Heiden und christlichen Kreuzrittern. In schwingenden Röcken, die Arme voll Reifen, sagen alte und junge Zigeunerinnen die Zukunft voraus.
»Auf jeden Fall danke ich dir«, sagt Rufino. »Du bist ein Ehrenmann, Caifás. Deshalb habe ich dich immer geachtet. Deshalb achten dich alle.«
»Welche Pflicht zählt mehr?« sagt Caifás. »Die dem Patron oder die dem Freund gegenüber? Ein Blinder hätte gesehen, daß ich verpflichtet war, das zu tun, was ich getan habe.« Ernst gehen sie nebeneinander her, gleichgültig gegen die scheckige, buntgemischte Gesellschaft. Sie verschaffen sich Durchlaß, ohne zu bitten, drängen die Leute durch Blick oder Schulterdruck beiseite. Manchmal grüßt jemand aus einem Zelt oder einem Verkaufsstand, doch beide antworten so schroff, daß keiner ihnen nahe kommt. Wie auf Verabredung gehen sie auf einen kleinen Ausschank zu – Holzbänke, Tische, eine Laube –, in dem weniger Leute sind als anderswo.
»Wenn ich ihn in Ipupiará getötet hätte, hätte ich dichbeleidigt«, sagt Caifás, als spräche er aus, was er lange überdacht hat. »Ich hätte dir die Möglichkeit genommen, deine Ehre reinzuwaschen.«
»Warum sind sie das erstemal hierher gekommen, um ihn zu töten«, unterbricht ihn Rufino. »Warum in mein Haus?« »Epaminondas wollte es so«, sagt Caifás. »Nicht ihr solltet sterben, weder du noch Jurema. Um ihr nichts anzutun, sind zwei meiner Leute gestorben.« Er spuckt in hohem Bogen aus und überlegt. »Vielleicht war es meine Schuld, daß sie gestorben sind. Ich dachte nicht, daß er sich verteidigen würde. Er sah nicht danach aus.«
»Nein«, sagt Rufino. »Er sah nicht danach aus.«
Sie setzen sich und rücken die Stühle zusammen,
Weitere Kostenlose Bücher