Der Krieg Der Diebe
»Hierher! « zischte Moria über das Brausen des Flusses hinweg, der wie ein finsterer Abgrund hangab lag. Mradhon suchte Haughts wegen festen Halt für seine Füße beim Hinuntersteigen. Der Blutgeruch von ihrer Last klebte nun auf Mradhons Lippen, seine Lunge stach. Immer tiefer ging es hinunter zu dem Hochwasser führenden Fluß, zu dem strudelnden Wasser, das sie mit sich und in den Tod reißen konnte. Schweiß rann in Mradhons Augen, er schnappte nach Luft und rutschte fast aus, als sie die regenglatten Steine des Ufers erreichten.
Er sah das Boot, das zwischen dem dunklen Gestrüpp kaum zu erkennen war. Mor-am plagte sich damit, und Moria rannte darauf zu. Es gab eine schlammige Rutsche: Von hier wurden bei besserem Wetter und wenn der Fluß ruhig war Abwinderboote ins Wasser gelassen. Das hier glitt ins Wasser und blieb ruhig an der Stelle, als gäbe es keine Strömung, die an ihm zerrte - als gehorche es und der Fluß zwei völlig verschiedenen Gesetzen.
»Sch-schafft ihn hinein«, bat Mor-am. Mradhon nahm das schlaffe Gewicht nun ganz allein und watete im Wasser bis zu den Knien ans Boot, dann hob er die Halbleiche hinein. Das Boot schaukelte kaum. Er faßte die Seite, um es, unnötigerweise, festzuhalten. Haught kauerte am schlammigen Ufer. Er hatte den Kopf gesenkt und schnappte keuchend nach Atem.
»S-sie s-sagte, w-warten«, stammelte Mor-am.
Mradhon blieb stehen. Er lehnte sich immer noch an die Bootseite. Seine Füße wurden taub, und Schweiß rann ihm erneut in die Augen. Mit dieser Nußschale den Fluß überqueren? Durch aufgebrochene Wolken spitzten Sterne. In ihrem schwachen Schein sah er Moria zusammengekauert am Boden, mit Kopf und Armen zwischen den Knien. Moram stand etwas weiter oben und hielt das Tau fest. Über dem Fluß in Freistatt brannten zu dieser späten Stunde nur noch wenige Lichter. Die Brücke konnte er ebenfalls sehen -den besten und vernünftigsten Weg, den Fluß zu überqueren.
Kein Laut kam von dem Mann, den sie den ganzen weiten Weg getragen hatten, und er rührte sich nicht. Er ist tot, dachte Mradhon. Sie hatten Moruth eine Leiche weggenommen, und alle waren beraubt.
Steine knirschten zwischen dem Gestrüpp. Köpfe hoben sich - sie war da. »So«, sagte sie, als sie die Gruppe erreichte. Sie streckte eine Hand aus und berührte Mor-am ganz leicht. »Du hast manches wiedergutgemacht.«
Er schwieg und hinkte stumm zum Wasser hinunter. Haught und Moria standen auf.
»Steigt ein«, forderte Ischade sie auf. »Es trägt uns alle.«
Mradhon kletterte ins Boot. Er stieg über die Leiche, die sich plötzlich bewegte und stöhnte. Seine Nerven prickelten bei diesem unerwarteten Lebenszeichen. Barmherziger wäre ein Schwertstreich, fand er. Er war Zeuge des entsetzlichen Todes von Verletzten wie diesem gewesen, wenn der Wundbrand eingesetzt hatte. Die klaffende Augenhöhle, so dicht am Gehirn, würde schlimm werden, dachte er, während das Boot schaukelte, als die anderen hereinkletterten. Er langte aus dem Boot, schöpfte eine Handvoll Wasser und ließ es auf die Lippen des Stiefsohns tropfen und sah, wie sie sich bewegten.
Ischades Umhang streifte ihn, als sie ihren Platz einnahm. Allzu nah kniete sie da. Sie beugte sich über den Gemarterten, hob die Hände zu seinem Gesicht. Er schrie auf, schlug um sich. »Bei den Göttern!« fluchte Mradhon. Zorn stieg in ihm auf. Er schob I-schade zurück. Doch er erstarrte, als sie ihren Basiliskenblick auf ihn richtete.
»Schmerz ist Leben«, sagte sie.
Das Boot setzte sich in Bewegung, ganz langsam wie in einem Traum, während der Wind um sie tobte und der Fluß unter ihnen toste. Mradhon sah seine Gefährten wie Schatten um Ischade. Der Verwundete stöhnte. Wenn er heftiger um sich schlug, bestand die Gefahr, daß das Boot kenterte. Er beugte sich zu ihm hinunter und hielt ihn sanft fest. Auch die Hexe berührte ihn. Seine Bewegungen wurden weniger heftig, aber sein Stöhnen war mitleiderregend.
»Er wird am Leben bleiben«, erklärte Ischade. »Stilcho. Ich rufe dich. Komm zurück!«
Der Stiefsohn krümmte sich und schrie noch einmal schrill auf, doch der Fluß verschluckte den Schrei.
Ein Boot schwamm auf dem Fluß. Erato sah es. Sein erster Gedanke war, daß sich ein Fischerkahn losgerissen hatte.
Doch das Boot trieb langsam wie eine Wolke im Wind über den Fluß, in einer geraden Linie, wie ein Boot es in keinem Fluß fertigbrächte. Die Härchen am Nacken stellten sich ihm auf. Er kletterte aus seinem Versteck ins
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