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Der Krieg der Trolle

Der Krieg der Trolle

Titel: Der Krieg der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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sich und spähte ins Dickicht. Ungewollt kamen Erinnerungen an seine Kindheit hoch, an die Geschichten, mit denen man ihn und Ionnis erschreckt hatte. An Vranolác, die Blutsäufer, und an Zraikas, die gefürchteten Gestaltwandler. Tief im Wald sollten auch Stryai hausen, lebende Tote, die sich angeblich mit Vorliebe vom Fleisch noch atmender Menschen ernährten.
    Natiole verdrängte diese Gedanken; sie waren eines erwachsenen Mannes und Kriegers nicht würdig. Er packte den langen Speer fester. » Dreimal verflucht«, murmelte er. » Reiß dich zusammen!«
    Vermutlich lehnte Ana unterdessen irgendwo seelenruhig an einem Baum und ließ sich durch nichts aus dem Konzept bringen.
    » Das größte Monster im Wald ist die Angst«, flüsterte Natiole. Das waren die Worte, mit denen sein Vater ihn immer nach Albträumen beruhigt hatte. Sofort spürte er, wie seine Anspannung verflog und aus dem undurchdringlichen, bedrohlichen Grün wieder ein gewöhnlicher Wald wurde. – Doch die Ängste und der Aberglaube der Wlachaken waren auch in ihm tief verwurzelt, so viel war sicher.
    Wieder ertönte ein Geräusch vor ihm. Dann schrie jemand, und es waren laute Schläge zu hören. Natiole richtete sich auf und nahm den Speer hoch, zum Stoß bereit.
    Der Schrei wurde von mehreren Kehlen aufgegriffen und steigerte sich. Etwas brach durch das Unterholz, riss Büsche um und ließ die Farne erbeben. Natiole machte sich bereit.
    Der Keiler war plötzlich direkt vor ihm. Es war ein riesiges Exemplar, mit wilden Augen und langen Hauern. Als er Natiole sah, wandte er sich zur Seite, um dem jungen Wlachaken auszuweichen. Da stieß Natiole zu.
    Sein Speer traf den Keiler in die Flanke und entglitt ihm. Das mächtige Tier drehte sich um und preschte auf Natiole zu, der sich nur mit einem Hechtsprung zur Seite retten konnte. Ein Hauer erwischte ihn noch am Bein und riss ihm die Hose vom Knie bis zur Hüfte auf.
    » Hepp!« Mit einem scheinbar lockeren Wurf streckte Ana das Tier nieder, während Natiole sich aufrappelte.
    Seine Finger tasteten über seinen Schenkel, aber seine Haut war bloß an einer Stelle aufgerissen, und das Blut lief lediglich als schmales Rinnsal an seinem Bein herab.
    » Guter Stoß«, bemerkte Ana, als sie ihre Saufeder packte und aus dem toten Tier zog.
    Natiole gesellte sich zu ihr. » Der hätte mich fast erwischt.«
    » Nein, er hat dich erwischt, aber da war er schon so gut wie tot. Dein Speer hat ihn tödlich verletzt. Dieser Keiler war nur zu stur, um das einzusehen.«
    Natiole atmete tief aus. Er spürte, wie seine Finger zitterten, und sein ganzer Körper fühlte sich seltsam leicht an. » Es ist lange her, dass ich dem Tod ins Auge gesehen habe«, stellte er leise fest. » Zuletzt in der Schlacht …«
    Ana schlug ihm mit der behandschuhten Rechten auf die Schulter und zwang ihn in die Gegenwart zurück. » Da fühlt man sich gleich wieder richtig lebendig, was?«
    Ohne zu antworten, kniete sich Natiole neben den Keiler und fuhr mit der Hand durch das borstige Fell, betrachtete das Blut. Es war eine gute Jagd gewesen, das Tier hatte sein Leben im Kampf gegeben. » Geister des Landes, wir danken euch für eure Gabe.«
    Selbst Ana, die fern der alten Heimat aufgewachsen war, kniete sich neben Natiole und wiederholte die Worte leise. Die Masriden mochten sich einfach nehmen, was sie wollten, aber die Wlachaken wussten, dass sie ihre Heimat nur den Geistern verdankten und dass die über alle ihre Taten wachten. Sie hatten Anas und Natioles Jagd gesehen, so wie sie alles sahen, von der kleinsten Geste bis hin zum größten Opfer für das Land.
    Als die Treiber kamen, erhoben sich die beiden. Natiole ließ sich die Wunde mit Alkohol reinigen und mit einem sauberen Tuch verbinden. Sie war nicht tief und lang genug, um genäht werden zu müssen, aber auch so schmerzte sie im Einklang mit jedem Herzschlag. Doch Ana hat Recht: Irgendwie fühle ich mich lebendiger als seit Wochen.
    Einige Male wurde ihnen gratuliert, und er nickte freundlich und bedankte sich. Seinen Speer gab er einem Diener, einige andere machten sich daran, den Keiler zu Fuß ins Lager zu schleppen.
    » Ich will ein Stück Lende!«, rief ihnen Ana hinterher, dann sah sie Natiole an. » Sollen wir noch zum Fluss?«
    » Warum nicht?«
    Als sie sich abwandten, trat Ciprios aus dem Schatten einer Eiche auf sie zu. » Herr, soll ich einige Wachen holen?«, fragte der erfahrene Krieger und neigte das Haupt.
    Beinahe hätte Natiole zugestimmt, aber Ana

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