Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)
stand es in einer Grotte, die um einiges kleiner als die große Totenhalle mit den vielen Treppen war. Und noch ein klitzekleiner Unterschied bestand zwischen den beiden Höhlen: hatte es aus der anderen einen zweiten Ausgang gegeben, so handelte es sich bei dieser hier um eine absolute Sackgasse, denn weder Tür noch Tunnelöffnung noch irgendein schmaler Spalt waren in den Wänden zu erspähen.
„Jetzt hab’ ich mich tatsächlich verlaufen, so ein Mist!“, ärgerte sich die kleine Gestalt. „Es war also doch der mittlere der drei Gänge gewesen! Das ist ja eine reizende Bescherung!“
Unübersehbar befand es sich in einer weiteren Gruft, die ähnlich wie die große Kaverne, die in den Thronsaal geführt hatte, mit Wandbildern, Waffen, Kerzen, Räuchergefäßen und Schmuck ausstaffiert war. Vor der hinteren Wand ruhte auf einer Erhöhung im Fels ein einzelner Sarg aus schwarzem Marmor, den ein viereckiges Tuch aus rotem Samt überspannte. Unmittelbar dahinter starrte das Bild eines Zwerges von einem mit Juwelen besetzten Fresko zum Boden hinunter. Der Zwerg trug eine Krone und sah einem Bild, das der Eindringling einmal von Borgin dem Großen, dem ruhmreichsten aller Zwergenherrscher, gesehen hatte, recht ähnlich. Und wenn eine Persönlichkeit eine eigene Krypta bekam, dann musste er zu Lebzeiten schon verdammt wichtig gewesen sein. Also befand er sich gerade allein mit Borgin dem Großen (oder was von diesem noch übrig war)!
Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, ob ihn das irgendwie auszeichnete – denn es war kaum zu vermuten, dass schon viele Nicht-Zwerge jemals diesen Raum besucht hatten –, hörte er das Stapfen von Füßen bald hinter sich. Dazu passend schimpfte ein Zwerg vor sich hin, wobei seine tiefe Stimme andauernd lauter wurde und näher kam.
Was kann ich jetzt noch tun, schließlich gibt es keinen Ausweg aus diesem Raum? Das ist ausgesprochen unfair!,
dachte das kleine Wesen, während es sich panisch nach einer Versteckmöglichkeit umsah.
„Immer muss so ein Desaster mir passieren, und immer nur dann, wenn ich mit diesem Plimbi zusammen bin! Ich werde mit ihm reden und ihm sagen, dass ich nicht länger auf ihn aufpassen kann! So kann das auf jeden Fall nicht weitergehen!“, lamentierte Ombo, während er die Krypta betrat.
Während der dicke Zwerg damit fortfuhr, etwas Unverständliches in seinen üppigen Bart zu grummeln, verbeugte er sich vor dem Sarg König Borgins und sah sich danach missmutig in dem Raum um. Er war lange nicht mehr hier gewesen, und offensichtlich hatte man in der Zwischenzeit einige neue Kunstwerke platziert. Eines davon sah besonders merkwürdig und lebensecht aus, denn auf einem Wandsims stand zwischen mehreren steinernen Zwergenkriegern und Einhörnern eine Skulptur, die die gleiche Größe wie die anderen besaß und auch mit Rüstzeug, Helm und einer Keule angetan war, jedoch keinen Bart hatte. Ein Zwerg ohne Bart – welcher Künstler hatte einen solchen Murks zu verantworten? Oder handelte es sich um eine eigenwillige Engelsdarstellung oder vielleicht um ein Zwergenkind, dessen Bartwuchs ja bekanntlich erst mit den Milchzähnen einsetzte? Oder waren solche Verunstaltungen etwa die neueste Mode zur Zeit? Schlimmer Gedanke! Dies alles änderte freilich nichts daran, dass seine Suche hier eine reine Zeitverschwendung war.
Ombo wandte sich gerade wieder ab, als er hinter sich ein Niesen hörte. „Gesundheit!“, sagte er noch aus purer Höflichkeit, ehe er sich zu fragen begann, wer in einem Raum, in dem sichnichts weiter als ein Toter und eine Menge Stein und Metall befanden, eigentlich zu niesen vermochte.
Als er sich auf dem Absatz herumdrehte, traf ihn auch schon der Schlag einer Keule auf den Schädel und ließ ihn mehr oder weniger sanft ins Reich der Träume gleiten.
„Verzeihung, mein Herr, aber ich sah mich wirklich dazu gezwungen“, sagte das kleine Geschöpf, während es von dem Sims auf die Erde hinab sprang und sich danach zuerst einmal die Nase schneuzte. „Nie wieder geh’ ich auf eine Diebestour, wenn mich ein Schnupfen plagt! Das wird mir eine Lehre sein!“
Das war gerade noch ’mal gut gegangen – aber was, wenn ihm nun auch noch die anderen Wächter über den Weg liefen, da sie ihren Kameraden suchten? Sie würden den ungebetenen Gast sofort erkennen und ihn nicht nur für den Diebstahl des Steines, sondern auch noch für die Störung von Borgins Totenruhe bestrafen! Das hieß dann wohl mindestens einhundert Jahre in einem
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