Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
entschieden dagegen: Wie kann sie nur, wie kann sie in dieser Zeit jemandem gefallen wollen?
Überall Verwundete, überall Stöhnen ... Die Gesichter von Toten sind eigenartig gelbgrün. Wie kann man da an Freude denken? An sein Glück? Ich wollte die Liebe nicht damit verbinden. Mit alldem ... Mir schien, hier in dieser Umgebung würde die Liebe sofort sterben. Was sollte das für eine Liebe sein, ohne Feste, ohne Schönheit? Nach dem Krieg, da kommt das schöne Leben. Und die Liebe. Aber hier ... Hier nicht. Wenn ich sterbe, dann muss der, der mich liebt, nur leiden. Das tut mir so leid. So empfand ich ...
Mein jetziger Mann, der bemühte sich dort um mich, wir haben uns an der Front kennengelernt. Aber ich wollte nichts davon hören: ›Nein, nein, wenn der Krieg aus ist, dann können wir darüber reden.‹ Ich werde nie vergessen, wie er einmal vom Gefecht zurückkam und mich bat: ›Hast du nicht eine hübsche Bluse da? Zieh sie doch mal an. Ich will sehen, wie du in einer Frauenbluse aussiehst.‹ Aber ich hatte nichts dergleichen, nur meine Feldbluse.
Auch zu meiner Freundin, sie hat an der Front geheiratet, habe ich gesagt: ›Er hat dir nie Blumen geschenkt. Sich nicht um dich bemüht. Und nun gleich heiraten. Ist das etwa Liebe?‹ Ich konnte ihre Gefühle nicht gutheißen ...
Dann war der Krieg vorbei. Wir sahen uns an und konnten nicht glauben, dass der Krieg aus war und wir noch am Leben waren. Jetzt würden wir anfangen zu leben ... Würden lieben ... Aber wir hatten alles vergessen, konnten es nicht mehr. Ich kam nach Hause und ging mit meiner Mutter in ein Schneideratelier, mir ein Kleid nähen lassen. Als ich dran war, wurde ich gefragt: ›Was für einen Schnitt wünschen Sie?‹
›Ich weiß nicht ...‹
›Wie, Sie kommen ins Atelier und wissen nicht, was für ein Kleid Sie wollen?‹
›Ich weiß nicht.‹
Ich hatte fünf Jahre kein Kleid gesehen. Ich hatte keine Ahnung mehr von Kleiderschnitten. Abnäher, Ausschnitt ... Tiefe Taille, hohe Taille ... Das war mir völlig fremd. Ich kaufte mir Absatzschuhe, lief damit im Zimmer herum und zog sie wieder aus. Ich stellte sie in die Ecke und dachte: Ich werde es nie lernen, darin zu laufen ...«
Maria Seliwestrowna Boshok , Krankenschwester
»Ich möchte mich erinnern ... Ich will sagen, dass ich ein unheimlich schönes Gefühl aus dem Krieg mitgebracht habe. Ja, es lässt sich einfach nicht in Worte fassen, mit welcher Freude und Bewunderung die Männer uns behandelten. Ich lebte mit ihnen zusammen in einem Unterstand, schlief mit ihnen auf einem Hängeboden, erfüllte mit ihnen zusammen Partisanenaufträge, und wenn ich so fror, dass ich das Gefühl hatte, meine Milz fror ein, wenn mir die Zunge im Mund anfror und ich merkte, noch ein bisschen, und ich dachte, ich werde bewusstlos, dann bat ich: ›Mischa, knöpf den Pelz auf, wärme mich.‹ Er wärmte mich, fragte: ›Na, besser?‹ – ›Besser.‹
So etwas habe ich später nie wieder erlebt. Aber an Privates konnten wir nicht denken, solange die Heimat in Gefahr war.«
»Aber es gab Liebe?«
»Ja, es gab Liebe. So etwas habe ich gesehen ... Aber entschuldigen Sie, vielleicht bin ich ja im Unrecht und das ist nicht ganz normal, aber ich habe diese Leute im Innern verurteilt. Ich fand, es sei nicht die Zeit für Liebe. Überall war Böses. Hass. Ich glaube, so dachte nicht nur ich, so dachten viele. Meine Freundinnen dachten alle so ...«
»Wie waren Sie vor dem Krieg?«
»Ich habe gern gesungen. Und gelacht. Ich wollte zu den Fliegern. Da dachte ich doch nicht an Liebe! Sie war für mich nicht das Wichtigste im Leben. Das Wichtigste war die Heimat. Wir sind anders, nicht so wie ihr. Wir haben geglaubt ...«
Jelena Viktorowna Klenowskaja, Partisanin
»Im Lazarett ... Sie waren alle glücklich. Sie waren glücklich, weil sie noch lebten. Ein zwanzigjähriger Leutnant war traurig, weil ihm ein Bein fehlte. Aber damals, bei all dem Kummer ringsum, kam einem auch das vor wie Glück – er lebte; dass ihm ein Bein fehlte, war halb so schlimm. Hauptsache, er war am Leben. Er würde lieben, eine Frau haben, alles. Heute, da ist es schlimm, ein Bein zu verlieren, aber damals, da sind sie auf einem Bein alle munter herumgesprungen, haben geraucht und gelacht. Sie sind Helden und überhaupt! Was denken Sie!«
»Haben Sie sich dort verliebt?«
»Natürlich, wir waren doch so jung. Immer, wenn neue Verwundete ankamen, haben wir uns sofort in einen davon verliebt. Meine Freundin verliebte
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