Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
Vom Netzwerk:
Beil in den Gürtel und trug einen Armvoll unregelmäßig gehauenen Holzes von der Lichtung. Auf einem Fleckchen Erde, das er mit dem Stiefel freigekratzt hatte, errichtete er eine Pyramide aus Feuerholz, legte eine Handvoll trockener Zweige in die Mitte, ging zurück zu seinen Satteltaschen und holte Feuerstein und Stahl.
    »Nein«, sagte Odosse errötend. »Ich meine, warum sollte jemand den Bauern töten?«
    »Warum tötet irgendwer irgendwen in diesem Teil der Welt? Weil er von der falschen Seite des Flusses kam und weil derjenige, der ihn getötet hat, wegen irgendetwas unglücklich war. Weidenfeld wahrscheinlich. Ich bezweifle, dass es Räuber waren. Nicht genug, um das Interesse von Räubern zu erregen, und kein Grund, den Brunnen zu vergiften. Hier war Hass am Werk.« Beim Reden schlug er den Stahl auf der schrägen Oberfläche des Feuersteins an. Beim dritten Versuch sprang ein Funke über, und Brys blies sanft hinein, um ihn zu ermutigen. Schon bald wärmte das Licht eines frischen Feuers sein Gesicht, und er hockte sich hin.
    Es wurde langsam dunkel. Im Wald schrie eine Eule. Odosse schauderte, zog Aubry bis ans Kinn hoch und schmiegte die Wange an seine warmen Decken. »Müssen wir heute Nacht hierbleiben?«
    »Schwebt dir ein besserer Platz vor?«
    »Nein. Es gefällt mir nur nicht, so nah bei … bei einem Ort zu sein, an dem jemand gestorben ist.« Odosse beobachtete argwöhnisch den Hund. Das Tier spitzte die Ohren, umkreiste ihr Feuer und beschnupperte den Rauch, blieb aber außer Reichweite.
    Brys schnaubte. Er kehrte zu den Satteltaschen zurück und kam mit einem zerbeulten Topf wieder, der halb mit Wild gefüllt war. Nachdem er dem Hund einen weiteren Bissen hingeworfen hatte, hängte er den Topf über die Flammen und briet den Rest. »Ich habe auf einem Feldzug in Thelyand einmal einen Mann kennengelernt. Er war hoch oben im Norden gewesen, fast bis zu den Weißen Meeren, und seine Truppe war von einem Schneesturm überrascht worden. Nur einen Tag von der nächsten Stadt entfernt, aber das war ein Tag zu weit. Die Hälfte der Männer erfror. Er überlebte, weil er aus den erfrorenen Leichen seiner Freunde eine Hütte errichtete, sie mit Schnee bedeckte und darin abwartete, bis sich das Unwetter verzogen hatte. Das ist unbehaglich nah bei den Toten. Dies hier ist nichts.«
    »Es ist das Schlimmste, was ich je gesehen habe«, sagte Odosse leise.
    »Dann solltest du dich schnell abhärten, oder du wirst an der Welt zugrunde gehen.« Er schüttelte das bratende Fleisch, als versuchte er festzustellen, wie hoch er es im Topf umherschleudern konnte. »Es braucht Stärke, um zu überleben. Die Schwachen sterben.«
    »So heißt es in Ang’arta, nicht wahr? Die Baoziten. Daran glauben sie.«
    Seine Augen blitzten, als er vom Feuer aufschaute und sie ansah, und Odosse zuckte vor dem, was sie darin erblickte, zurück. Für einen Moment glaubte sie, er könne sie vielleicht tatsächlich schlagen. »Woher willst du das wissen?«
    »Unser Solaros hat eine Predigt darüber gehalten. Ich glaube, seine Antwort an sie war ebenfalls richtig.«
    »Wie lautete diese Antwort?«
    »Dass sie sich im Irrtum befinden. Ihre Auffassung ist zu engstirnig. Stärke ist mehr als die Gewalt von Waffen. Sie ist Mitgefühl, Mut, Weisheit. Menschen sind auf unterschiedliche Weisen stark; wenige sind wahrhaft schwach. Wenn sie das darunter verstehen würden, hätten sie recht – und wären erheblich weniger grausam.«
    »Ein Jammer, dass seine Weisheit ihn nicht vor der Waffe schützen konnte, die ihm das Gesicht zerschmettert hat.«
    Odosse nahm Wistan sanft von seiner Trage und legte sich beide Säuglinge auf den Schoß, während sie auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers saß. »Fällt es so schwer zu glauben, dass Stärke andere Gestalt annehmen könnte?«
    »Schwer zu glauben ist, dass Menschen denken, Mitgefühl werde sie retten, wenn die Wölfe vor ihren Türen heulen.« Brys spießte mit dem Ende eines Stocks ein Stück Fleisch auf. Er nahm ein Seil und formte daraus eine Schlinge. Während er das Fleisch mit einer Hand dem Hund hinhielt, hielt er in der anderen das Seil bereit. Als das Tier den Kopf vorstreckte und nach dem angebotenen Essen schnappte, fing Brys den Hund geschickt in der Schlinge und führte ihn zurück zu der verkohlten Hütte, wo er die primitive Leine an einem Mauerpfosten festband.
    »Danke«, sagte Odosse, als er zurückkam. Diesmal meinte sie es ernst. Sie schnürte ihre Bluse auf, um die

Weitere Kostenlose Bücher