Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
solchen Plan nicht mehr als die sanitären Anlagen beizusteuern? Verbringen Sie zur Abwechslung mehr Zeit unter Menschen. Eventuell lernen Sie noch etwas dabei.“
„Vielleicht tue ich das in der Tat“, hörte ich ihn noch sagen, dann schloss sich die Tür hinter ihnen. Ein Riegel wurde vorgelegt.
Die Katze und ich schauten einander argwöhnisch an. Schließlich wandte sie als Erste den Blick ab und huschte davon.
Ich versuchte, dem Gehörten einen Sinn abzugewinnen. Augenscheinlich war Brunel der Loge gut bekannt, und man hatte sich Informationen von ihm und Paxton erhofft. Gleichzeitig schien es aber ein Geheimnis zu geben, das Brunel und Aaron teilten und bei dem Bailey außen vor blieb.
Es wurde Zeit. Ich musste herausfinden, wem ich noch trauen konnte. Wenn ich bei der Gelegenheit ein paar Geheimnisse lüften konnte, die sogar Bailey verwehrt geblieben waren, umso besser.
Ich verfolgte, wie ein grimmig dreinblickender Diener begann, den Salon aufzuräumen. Als er das Fenster zum Atrium hochschob, sah ich meine Chance gekommen: Ich band mein Seil um einen der Schornsteine und ließ mich sanft vom Dach gleiten. Das Seil war schwarz und trotz seiner Stabilität sehr dünn, und so rechnete ich nicht damit, dass es entdeckt werden würde, wenn ich es eine Weile hier hängen ließ.
Ich lief geduckt zum Fenster des Salons. Meine Schuhe waren wattiert und verursachten fast kein Geräusch. Ich langte unter dem Fenster an und streckte gerade die Hand nach dem Rahmen aus, als mit einem Mal der Diener darin auftauchte und es mit einem entschlossenen Ruck wieder schloss. Offenbar fürchtete er, dass zu viel frische Luft die Atmosphäre des Salons schädigen würde.
Ich fluchte lautlos. Die Eingangstür war verriegelt und würde sich nicht leicht knacken lassen, aber ich hatte nicht vor aufzugeben. Mein Blick fiel auf den hinteren Teil des Innenhofes, wo die Schleifspuren, die ich vorhin bemerkt hatte, vor einem großen Holztor endeten. Neben diesem Tor war ein hohes Fenster. Ich vermutete, dass sich dort die Stallungen befanden und sich in diese einfacher eindringen lassen würde als in das Hauptgebäude. Also schlich ich zu dem Tor.
Dieses war zu meiner Überraschung mit einem starken Schloss gesichert. Das Fenster daneben entpuppte sich als Glücksgriff. Nachdem ich mich auf das Sims geschwungen hatte, gelang es mir mit etwas Mühe, es hochzuschieben. Ich kletterte ins dunkle Innere, schob das Fenster wieder zu und sprang auf den Boden.
Was ich für Stallungen gehalten hatte, entpuppte sich als Werkstatt. Da waren Flaschenzüge und die Schatten großer Zahnräder in der Finsternis. Die Luft roch nach Metall und Öl. Nachdem sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, sah ich, dass die Kratzspuren sich auch hier über den Boden zogen und an der hinteren Wand vor einer großen Luke endeten. Diese war mächtig genug, dass sich ein ganzer Keller unter ihr verbergen mochte, aber viel zu schwer, als dass ich sie hätte bewegen können. Ich nahm an, dass sie maschinell bewegt wurde, wahrscheinlich per Hydraulik. Was hatten sie hier über den Hof geschleppt?
Es war frustrierend. Vor mir lag ein Irrgarten, und mein Ziel lag auf der anderen Seite einer Hecke, nah und doch so fern.
Ich nahm mir vor, Ausschau nach einem Kellerabgang zu halten; wenn nicht hier, dann anderswo. Ich fand eine verschlossene Tür, und nach ein paar Augenblicken hatte ich sie geknackt. Ich betrat einen schlichten Korridor, den niedrig brennende Gaslampen erhellten. Ich hörte keine Geräusche und spürte auch nicht die Anwesenheit von Menschen.
Ich fasste nach dem Shila an meinem Hals und hoffte, er werde mich führen. Dann begann ich meine Sondierung des Tempels.
Ich hatte mich immer gefragt, wie viel von dem, was die Loge tat, ihrer eigenen Phantasie entsprang und was tatsächlich den Horizont unserer Kenntnisse verschöbe, würde es enthüllt. Ich wusste, die meisten Engländer sahen in Bünden wie diesem nicht viel mehr als einen exklusiven Club, der einem half, Karriere zu machen und in der Zwischenzeit Kurzweil und Alkohol bot. Ich wusste aber auch, dass einige Logen das anders sahen. Viele hüteten Geheimnisse, denen noch der Staub des alten Griechenlands oder Ägyptens anhaftete – oder Indiens.
Ich war in einem Land geboren, in dem die Macht der Mysterien allgegenwärtig war, und der Shila erinnerte mich ständig daran, dass Magie nicht nur in fernen Kindheitstagen existierte, sondern sehr greifbar sein konnte. England dagegen
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