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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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nun unerbittlich zusammenzieht.
    Ich nehme all meine Kraft zusammen und erhebe mich, werfe mich stolz in Pose und trotze meiner lächerlichen, schlammverspritzten Erscheinung. Ich bin wohlauf. Ich bin Herrin der Lage. Ich will keine Hilfe, und alles gehe seinen Gang. Wie Aphrodite, als sie dem Meer entsteigt, schreite ich zum Eingang des Palasts, und einige Männer senken ihr Haupt, als sie mich sehen. Es fällt schwer, so vielen Menschen auf einmal ein Bild zu suggerieren, besonders dieses, denn nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Doch ich lächle zuversichtlich und durchschreite den Eingang, als sei dies mein Tempel und ich gekommen, ihn in Besitz zu nehmen. Noch immer sind meine Sinne zum Zerreißen gespannt, und alles scheint in ein grelles Licht getaucht, trotz des Regens, der auf das gigantische gusseiserne Maschennetz über mir trommelt.
    Ein Universum der Farben und der Gefühle hüllt mich ein, eine fremdartige Landschaft, die die unberührte Anmut des ersten Gartens besitzt, bevor Menschen Fuß in ihn setzten. Wie Logen in einem Theater, Schreine in einer Kirche, sind Myriaden winziger Bauwerke in den gläsernen Palast eingesetzt. Da sind römische Zitadellen und Forts der amerikanischen Armee, deutsches Fachwerk und französischer Rokoko. Türken tragen ausgestopfte Straußenvögel durch einen Hofstaat wächserner Kammerzofen, und gegenüber erhebt sich ein tuchverhüllter Wald weißen Marmors, der hier und dort den Blick auf die unbedeckten Körper griechischer Sklaven freigibt. In der Ferne, in der Mitte des Tran-septs, ragt zwischen hohen Ulmen ein Brunnen aus rosenfarbenem Glas inmitten eines funkelnden Bassins auf, und Sperlinge schießen zwischen den Bäumen umher.
    Die Szenerie ist eine Märchenwelt unter Baldachinen und Glas, ein Traum aus tausendundeiner Nacht. Überall stapeln sich Kisten und Exponate, eilen Menschen umher, doch keine Spur von Frans. Regen tropft vom Dach, die Seile und Ketten der Flaschenzüge baumeln wie Lianen herab, und Schweiß tritt mir auf die Stirn, als immer mehr Blicke in diesem Dschungel sich mir zuwenden.
    Dann sehe ich ihn, inmitten eines Gartens chinesischer Vasen. Schnell folge ich ihm durch einen Parcours aus Jade und Malachit, und er bemerkt mich und beschleunigt seine Schritte in Richtung eines der Ausgänge auf der Nordseite.
    Ich schließe auf. Er beginnt zu rennen. Dann renne auch ich, und das Licht, das mich seit unserem Kampf umfängt, verblasst. Im selben Maße, in dem meine Konzentration und meine Kräfte schwinden, erkennt man mich als Fremdkörper in dieser unfertigen Welt und stellt sich mir in den Weg. Ich schaffe es, dem einen oder anderen Mann auszuweichen und wieder aufzuschließen. Ich nehme Frans nun deutlicher wahr und spüre, dass er keine Freude über unsere wilde Jagd mehr empfindet. Ich fühle Kälte und Arglist; die Menschen in Lambeth fühlen so, bevor sie streunende Katzen vergiften. Er verschwindet hinter den absurden Pfeifen eines kolossalen Musikinstruments. Jemand greift nach mir. Ich stoße ihn zu Boden und wage einen letzten Angriff.
    Da kommt auf einmal Leben in eine dampfbetriebene Erntemaschine; ich fahre herum und sehe ihn direkt vor mir stehen. Er streckt die Hand nach mir aus, und ich sehe das Band aus Metall um seinen Arm. Ich weiß, was er vorhat. Meine Knie knicken ein. Die ferne Fontäne schießt einen einzigen, prismatischen Strahl zum Zenit des Transepts empor. Ich sehe einen großen Elefanten mit einer Howdah auf seinem Rücken, und vor ihm, in einem goldenen Käfig, ein Strahlen wie von einem gefallenen Stern. Das Rattern der Erntemaschine verebbte in einem kohleschwarzen Husten. Der Schatten eines großen Raubvogels fällt über mich, alles wird dunkel, und meine Sinne schwinden.
    Das letzte, was ich weiß, ist, dass da Männer sind, die uns auseinanderdrängen – darunter Bailey, ein alter Pirat, und ich denke: sein Auge, sein Auge – und uniformierte Männer, die energisch auf ihn einreden und ungeheurer Schmerz, Wut und Angst.
    Erstaunt erkenne ich, dass diese Gefühle meine eigenen sind, dann verliere ich das Bewusstsein.

    Tagebücher der Arakan-Expedition
    von
    Major Samuel Blakewell
    1827
    19. Oktober
    Akyab. Endlich lassen die Regenfälle nach, und wir sind startklar. Cpt. Adams und Lt. Hall haben unseren Transport organisiert, und der Sergeant kümmert sich um das Verladen unserer Vorräte. Ich bin sehr zufrieden mit den Männern. Alle sehr tüchtig und effizient; anders als die

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