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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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Woche mit der Erforschung dieser Ruinen zubringen, ohne dass ihm dabei langweilig wird. Ich habe ihm den Sergeant mitgegeben, damit er nicht vergisst, warum wir hier sind.
    Nachtrag
    Cpt. Adams und ich machten einen Gang durch die Anlage. Entgegen meinem ersten Eindruck sind wir nicht alleine. Einige Bauern leben nach wie vor hier. Sie scheinen gutmütige, passive Wesen zu sein, aber unsere Führer wollen nichts mit ihnen zu tun haben. Einige von ihnen sind verkrüppelt und könnten alt genug sein, noch den Niedergang dieser Stadt erlebt zu haben. Ich frage mich, wie es hier aussah, als Vanderbilt und seine Männer kamen. Achtundvierzig Jahre ist das nun her.
    Die Niederländer trieben im letzten Jahrhundert regen Handel mit Arakan; zwei Reiche, die noch nicht ahnten, dass ihre Zeit bereits abgelaufen war. Ich nehme an, der König hat sie fürstlich bewirtet, sie bekamen Gold, Gewänder, vielleicht sogar Frauen, und konnten sich am Anblick der Stadt erfreuen. Es gab damals noch einen Palast und eine Art Glockenturm, eine intakte Stadtmauer mit großen Toren, dazu Archive, Garnisonen, und natürlich Klöster, Klöster und noch mal Klöster. Alle südasiatischen Völker sind besessen von ihrer Religion und scheinen nichts Ungewöhnliches daran zu finden, ein Leben in ärmlicher Demut zu fristen, solange sie nur die Dächer ihrer Tempel und die Haut ihrer Götzen mit Blattgold verkleiden können. Cray, der zum Dinner zurück war, behauptet, über hunderttausend Menschen hätten hier einst gelebt, und die Zahl der Stupas und Schreine soll zehnmal, wenn nicht hundertmal so groß gewesen sein. Er sagt, er habe inmitten eines Labyrinths von Gängen eine Halle gesehen, in der säuberlich aufgereiht, Schulter an Schulter, Tausende goldener Götzenbilder sitzen. Ich sah es in Lt. Halls Augen blitzen, als Cray davon berichtete, aber Cpt. Adams schlug ihm auf die Schultern und rechnete ihm vor, dass die Schlepperei dieser Figuren kaum den Sold aufwiege, den er dabei verdiene, und obgleich diese Rechnung sicher Nonsens war, schaffte er es doch, Lt. Halls Gedanken wieder auf seine Pflicht zu lenken. Wir waren schließlich nicht hier, um die Brotkrumen vom Teller des birmanischen Königs zu picken.
    König Bodawpayas Truppen überrannten die Stadt wenige Jahre nach Vanderbilts Besuch. Sie zerstörten die Mauern und den Palast und raubten und mordeten, so gut sie konnten. Selbst kleine Kinder sollen sie abgeschlachtet haben, und die Gelehrten und die Mönche verschleppten sie als Sklaven. Hunderttausende sollen dem Massaker zum Opfer gefallen sein, und die übrigen flohen, auch auf britisches Territorium, was ihre Häscher aber nicht davon abhielt, sie zu verfolgen. Dann nahm Birma Assam und die umliegenden Reiche ins Visier, und Britisch-Indien hatte einen neuen Nachbarn – einen unbequemen Nachbarn, der selbstbewusster auftrat, als gut für ihn war. Der Krieg mit Birma war wohl der teuerste in der Geschichte der Kolonien, aber es war gut und gerecht, ihn zu führen.
    Für mich bot sich endlich die Gelegenheit, dem vergessenen Geheimnis nachzugehen, das sich irgendwo in diesem alten, ausgebeuteten Land verbergen muss.
    24. Oktober
    Noch kein Erfolg. Die Hälfte der Männer ist nun ständig mit Cray unterwegs, während die andere das Lager bewacht. Es ist ein seltsam friedlicher Ort, trotz der Dämonenfratzen, die den Eingang unseres Tempels verzieren und uns immer, wenn wir die Stufen erklimmen, mit ihren offenen Mäulern und baumelnden Zungen entgegenblecken. Eigenartig, wie rasch man sich an sie gewöhnt!
    Von unserem Hügel haben wir einen guten Blick über das Areal. Es wachsen eine Menge Bäume zwischen den Bauten, so dass wir genug Feuerholz haben. O’Lannigan tauschte bei den Einheimischen etwas Tabak und Tee für Brote und Fische ein, und Lt. Shiels erlegte gestern einen Keiler, der sich in die Ruinen gewagt hatte – um Vorräte brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen, und, wie der Leutnant zu sagen pflegt, nichts ist wichtiger für die Moral im Feld als gutes Essen. Dennoch drängt es mich, endlich weiterzuziehen.
    Wenn dieser verflixte Niederländer nur etwas konkreter gewesen wäre!
    Ich habe die letzten Tage damit zugebracht, noch einmal alle Aufzeichnungen zu sichten – meine Übersetzungen, und auch die niederländischen Originale, was sehr viel zeitaufwendiger ist –, um zu prüfen, ob ich nicht irgendetwas übersehen habe. Schließlich verdanken wir ja vor allem der Fabulierfreude Vanderbilts die

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