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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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unvorhersehbar diese Wechselwirkungen sein können.“
    Wieder spürte ich, was er empfand: seine Belustigung und seine Sorge um mich. Dabei waren mir Baileys Gefühle immer verschlossen geblieben. Erschrocken griff ich nach dem Geschmeide an meinem Hals, dann fasste ich Bailey an der Wange und rief: „Ihr Auge! Ich habe Ihr Auge verloren!“
    Er legte mir einen Finger auf die Lippen.
    „Das ist wahr – aber es ist kein Unglück. Im Gegenteil. Die Überladung, die der Niederländer in unseren Sinnen verursachte, hat uns wertvolle Hinweise geliefert.“
    „Sie haben es auch gespürt?“
    „Gespürt, gesehen, es ist schwer zu sagen, nicht wahr?“ Er zwinkerte. „Sagen wir, ich wurde Zeuge des lichten Moments, als Sie und er zu verschmelzen drohten. Als eine der Folgen dieser absonderlichen Vereinigung muss sich das Auge aus seiner Verankerung gelöst haben, und ich war einige Momente lang desorientiert, bis ich mich wieder an Ihre Spur heften konnte. Aber seien Sie unbesorgt: Ich habe bereits meinen Freund Mr. Faraday konsultiert, und er versichert mir, dass die Fassung, die er mir in die Augenhöhle implantierte, keinen Schaden genommen hat, und als hätte ich noch einen sichtbaren Beweis benötigt, fing das Auge kurz darauf wieder an, Bilder zu liefern.“
    „Sie sehen noch damit?“, staunte ich.
    Er neigte den Kopf. „Es ist eine befremdende Erfahrung, aber ich befinde mich gleichzeitig hier und an der Pforte des Kristallpalasts. Leider, fürchte ich, bin ich im Schlamm gelandet, aber eine kleine Schwelle schützt mich vor Tritten, und ich habe einen hervorragenden Blick darauf, wer alles im Palast ein- und ausgeht. Vielleicht kann ich es zu unserem Vorteil nutzen.“
    „Was hat Faraday zu dem Vorfall gesagt?“
    „Er ist überzeugt, es müsse sich um eine elektrische Entladung gehandelt haben, die Ihr Talent und mein Auge überflutete – eine Entladung von solcher Stärke, dass es kaum vorstellbar scheint und es einem Wunder gleicht, dass wir beide noch leben. Aber, wie er zu sagen pflegt: Nichts ist zu wundervoll, um wahr zu sein. Höchstwahrscheinlich verdanke ich es den Resten dieser Entladung, dass das Implantat nach wie vor das Signal des Auges empfängt.“
    „Sie sollten es holen gehen“, riet ich ihm.
    „Gemach. Das werde ich – sobald Frans wieder die Bildfläche betritt, und das wird er gewiss bald. Bis dahin könnte ich mir keinen besseren Späher wünschen. Den Schlamm am unteren Gesichtsfeld nehme ich in Kauf.“
    Ich seufzte. Wenn Bailey einen seiner verrückten Pläne gefasst hatte, war es unmöglich, ihn davon abzubringen. Wahrscheinlich verdankte ich mein Leben einer dieser Launen.
    „Was hat er vor?“, überlegte ich laut, „und wozu dient das Artefakt, das er Sir Malcolm gestohlen hat?“
    „Nun“, räusperte sich Bailey, „es scheint offensichtlich, dass unser Ingenieur über gute Quellen verfügt, die ihn mit erstklassiger Ausrüstung versorgen.“
    „Aber was wollte er im Palast? Bailey, er ist nicht einfach nur drauflosgerannt – er wollte dorthin, da bin ich mir sicher! Ich konnte es auch spüren; tatsächlich spüre ich es schon seit Tagen. Etwas hat uns gerufen. Hören Sie es nicht? Ich kenne diese Art Ruf. Sie kennen sie. Sie wissen, was ich meine.“
    Er wurde ernst. „Ist es wie damals in Kalighat?“
    Ich schwieg einen Augenblick lang. „Meine Sinne sind nicht mehr so scharf, wie sie es als Kind einmal waren. Aber all die Jahre, die ich den Shila nun trage, schufen ein Band zwischen uns – so wie zwischen Ihnen und Ihrem Auge. Dieses Band schwingt wie eine angeschlagene Saite – es ist Musik, Bailey. Sphärenmusik. Ein fernes Lied, das immer lauter wird, und genau wie damals dringt es aus einem verbotenen Palast zu mir.“
    Ich schüttelte mich, und Bailey kam näher und legte mir die Decke um. Alles war wie damals, nur das Land war ein anderes.
    „Wir haben immer gewusst, dass wir nicht die einzigen sind, die den Ruf vernommen haben“, erinnerte er mich. „Viele der Schätze bleiben bis heute verschwunden; manche der Shakti Pithas haben ihr Geheimnis nie preisgegeben. Es mag sein, dass einige der verlorenen Puzzlestücke nun aufgetaucht sind, und wir bald mehr über sie erfahren – über sie und die, die sie heute besitzen.“
    „Wie ist Sir Malcolm an das Artefakt gelangt?“, fragte ich. „Bailey, Sie hätten mir gleich erzählen sollen, um was für einen Gegenstand es sich handelt.“
    Bailey schüttelte bitter den Kopf. „Dies ist kein

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