Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

amerikanischen Reeder.“
    „Sehen Sie, wir verstehen uns. Dann wissen Sie auch, was ich meine.“
    „Sie beginnen, kasuistisch zu werden“, mahnte ich meinen Gefangenen. „Aber welaan , reden wir von Vanderbilt! Es wird kaum lange dauern, denn natürlich wissen Sie ebenso gut wie ich, dass sein Wissen und seine Aufzeichnungen verschollen sind.“
    Er schüttelte den Kopf, und nun stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Meine Güte, der Mann hatte Nerven!
    „Sie existieren“, sagte er, „als Übersetzung. Blakewell hatte sie bei sich, als er nach Arakan aufbrach.“
    „Die britische Arakan-Expedition kehrte nie zurück!“, widersprach ich.
    Er zwinkerte. „Sind Sie da sicher?“
    Ich begann, die Geduld zu verlieren. Deshalb legte ich die Stutzen ein weiteres Mal an einem Körperteil an, wo sie nicht zu viel Schaden verursachen konnten, diesmal seiner rechten Schulter, und jagte ihm einen weiteren Stromstoß durch den Körper.
    „Ich frage Sie erneut“, sagte ich, sobald er wieder zuhörte. „Wie planten Sie, das Artefakt einzusetzen?“
    „Ich?“, hustete er. Blut und Sabber hatte sich um seinen Mund gefangen. Bah, diese englischen Oberlippenbärte. Widerwillig wischte ich ihm ein weiteres Mal das Gesicht ab.
    „Ich plante, es über meinen Kamin zu stellen“, sagte er, „und bevor Sie mir ein weiteres Mal ihr Wunderwerkzeug demonstrieren“, fuhr er hastig fort, „lassen Sie mich Ihnen bitte versichern, dass das die blanke Wahrheit ist.“
    „Sie wollten das Artefakt nicht anwenden?“, staunte ich.
    „Für wie dumm oder lebensüberdrüssig halten Sie mich?“, antwortete er barsch. „Sie sind ja völlig besessen! Ob Sie’s glauben oder nicht, ich habe Vanderbilts Tagebücher gelesen. Oder Blakewells. Oder Teile davon. Schwer zu sagen, wissen Sie? Augenscheinlich habe ich Ihnen aber selbst das voraus, sonst wären Sie nicht so ...“ Ein Ausdruck des Verständnisses trat auf sein Gesicht. „Es sei denn natürlich“, sagte er, „Sie sind ein Talentträger.“
    „Ein was?“, fragte ich konsterniert. Der Verlauf des Gesprächs begann, mir zu missfallen, und ich überlegte, ob ich es darauf anlegen sollte, ob er einen Stromschlag direkt in den Herzmuskel überstand oder nicht.
    „Ein Talentträger“, sagte er hochmütig. „Irgendwo an Ihrem Körper tragen Sie ein schwarzes Steinchen, das Ihnen ungewöhnliche Fähigkeiten verleiht. Vielleicht Ihr angeblich so feiner Tastsinn, von dem Sie sprachen. Sie haben ihn gut versteckt, sonst hätte ich ihn gefunden, aber irgendwo muss er sein. Habe ich recht?“
    „Ich stelle hier die Fragen!“, wiederholte ich seine Worte und schlug ihm in Ermangelung eines besseren Einfalls ins Gesicht. „Sind Sie im Besitz dieser Tagebücher, die gelesen zu haben Sie vorgeben?“
    „Nein, bedaure.“
    „Wer hat sie?“
    „Womöglich dieselben Leute, denen Sedgwick das Artefakt verkauft hätte, wenn Sie ihnen nicht zuvorgekommen wären?“
    „Wer sagt, dass er es verkaufen wollte?“
    „Er hatte Schulden und etwas sehr Wertvolles, mit dem er allein herzlich wenig anfangen konnte. Was hätten Sie an seiner statt getan?“
    Ich grunzte. „Wer käme als Käufer in Frage?“
    „Höchstwahrscheinlich jemand wie Sie, der verrückt genug wäre, es in den Palast zu bringen und zu benutzen.“
    „Wer?“, schrie ich.
    „Ich würde Ihnen gern eine Frage stellen“, sagte er. „Darf ich?“
    „Was?“
    „Sind Sie mit den Cricket-Regeln vertraut?“
    „Ich warne Sie ...“
    „Es ist mir völlig ernst.“
    „Ich bin Ihre Lügen leid!“, herrschte ich ihn an und riss ihm Brille und Augenklappe vom Gesicht. „Von vorn! Wie haben Sie Ihr Auge verloren?“
    „Kommen Sie näher, dann werde ich es Ihnen erklären“, murmelte er, und in der fremdartigen, schimmernden Höhle, die sich nun mitten in seinem Gesicht auftat, glaubte ich, ein blaues Blitzen wie von winzigen Spannungsbögen auszumachen. Dann hob er die Brauen, sein verbliebenes Auge weitete sich, als habe er in diesem Moment einen Grizzly hinter mir entdeckt, und irritiert warf ich einen Blick über die Schultern.
    Er stand hinter mir und vor mir. Wortlos drehte ich mich um. Potverdorie , nun saß er hinter mir, voll Blut und Schmutz, und stand doch vor mir, im blütenweißen Anzug, die Hände freundlich erhoben, und lächelte. Er war so hell, als bestünde er nur aus Licht. Er trug keine Augenklappe und keine Brille. Wo die leere Höhle hätte sein sollen, leuchtete es wie Schnee in der Sonne.
    „Was